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Schnäppchen im Finanzamt

Versteigerung gepfändeter Wertsachen bringt 50 000 Euro ein

Von Alexander Gionis (Text)
und Wolfgang Wotke (Fotos)
Gütersloh (WB). Wer dem Finanzamt Geld bezahlt, sieht von einem Gegenwert meistens nicht viel. Am Samstag war es anders: Es wurden so einige kleine Schätze versteigert.

Des eines Freud', des anderen Leid: Wenn der Gerichtsvollzieher säumige Steuerzahler besucht, muss nun einmal eingesackt werden, was wertvoll erscheint. Schnäppchenjäger und Neugierige konnten sich am Samstag davon überzeugen, was sich in den vergangenen Monaten so alles im Finanzamt an gepfändeten Dingen angesammelt hat. »Normalerweise werden diese Sachen im Internet unter www.zoll-auktion.de versteigert«, erklärt der Vollzugsbeamte Gregor Franz, der am Samstag mal als Auktionator in Erscheinung trat. »Aber wenn sich hier vieles mit schnellem Wertverfall angesammelt hat, wie PCs oder HiFi-Anlagen, dann müssen wir schnell handeln, um für die Schuldner das Bestmögliche herauszuholen.«
Das schien am Samstag anfangs auch kein Problem zu werden, denn »der Laden brummte«. 160 Menschen drängelten sich in der Finanzamtskantine, darunter rund 90 potentielle Bieter. »Mit so einem Ansturm hätte ich nie gerechnet«, staunte Peter Goerres, bei dem sich jeder, der mitbieten wollte, in eine Liste eintragen lassen musste. Die 60 Versteigerungskataloge waren schon eine halbe Stunde vor Beginn der Auktionen vergriffen, so dass schnell für frisch kopierten Nachschub gesorgt werden musste.
Und dennoch: So richtig wollte die Auktion anfangs nicht in Fahrt kommen. Ein Auto-Anhänger wechselte zwar gleich zu Beginn für 1000 Euro seinen Besitzer, aber für den folgenden Lkw-Kipper und dann für den erst ein Jahr alten Pkw der Marke Kia Sorento fand sich kein Bieter; ganz zu Schweigen von den meisten angebotenen Damenringen. Hauptgrund für diese Zurückhaltung war wohl die Höhe der Mindestgebote, die etwa 50 Prozent des geschätzten derzeitigen Handelspreises betragen sollten. Bei dem Pkw lag das Mindestgebot bei 18 000 Euro. »Die Startpreise sind völlig überzogen«, fand beispielsweise Ayan Gügor, der ein Auge auf die edlen Herrenuhren geworfen hatte. »5000 Euro für eine gebrauchte Rolex ist zu hoch«, war er sich sicher. Weit gefehlt: Die Rolex-Uhr kam schließlich sogar für 5900 Euro unter den Hammer.
Bei vielen anderen Stücken wollten die Bieter lieber »zocken« und auf den zweiten Durchgang warten, denn da wird das Mindestgebot gesenkt. Als es gegen Mittag dann soweit ist, müssen die eingefleischten Schnäppchenjäger jedoch einsehen, dass es im Finanzamt nichts zum Nulltarif gibt: Das Mindestgebot wird lediglich um zehn Prozent gesenkt. Aber da die Gegenstände auch zu diesen Preisen günstig sind, wird zum Abschluss doch noch kräftig geboten. Der Lastwagen-Kipper kommt für 3900 Euro »unter den Hammer« und nach der Versteigerung des Kias sind weitere 17 100 Euro in der Kasse. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, denn jeder, der etwas ersteigerte, musste in bar zahlen. »Ich nehme an, dass hier in der Kantine heute mehrere Hunderttausend Euro sind«, sagte Gregor Franz vor der Auktion. Rund 50 000 Euro blieben schließlich im Finanzamt. Diese Summen erklärten dann auch, warum sich einige Männer in bekannten grünen Uniformen unter das Volk gemischt hatten. Aber die hatten zum Glück einen ruhigen Tag.

Artikel vom 28.02.2005