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Mann für heikle Missionen

SPD-Urgestein Hans-Jürgen Wischnewski ist gestorben

Köln (dpa). Ein dramatisches Ereignis hat Hans-Jürgen Wischnewski unvergessen weltweit in den Brennpunkt gerückt: Die Flugzeugentführung von Mogadischu im Herbst 1977. Bei der gewaltsamen Befreiung von 86 Geiseln aus der Lufthansamaschine »Landshut« im fernen Somalia spielte der nervenstarke SPD-Politiker hinter den Kulissen die Schlüsselrolle.
SPD-Politiker Hans-Jürgen Wischnewski ist tot.
Nach seiner Rückkehr aus Mogadischu: Hans-Jürgen Wischnewski steht dem Reporter Ernst-Dieter Lueg (re.) Rede und Antwort.

Im Hochsicherheitstrakt von Stuttgart-Stammheim setzten führende Mitglieder der Roten Armee Fraktion (RAF) auf das Palästinenser-Kommando. »Eines war klar: Wir wollten niemals die Terroristen in Stammheim freilassen«, sagte Wischnewski im Rückblick.
Noch mehr als ein Vierteljahrhundert später bewegten die Vorgänge den »Helden von Mogadischu«: »Ja, Angst habe ich gehabt - um die Menschen in der Maschine, aber nicht um mich.«
Wischnewski handelte damals als Staatsminister im Kanzleramt im Auftrag von Kanzler Helmut Schmidt (SPD), dessen Amt bei der gewagten Gewaltaktion mit der GSG 9 auf dem Spiel stand. »Ich hatte mich auch selbst im Austausch für die Geiseln angeboten.« Kurz nach der Geisel-Befreiung aus der Boeing übermittelte er Schmidt die erlösende Nachricht am Telefon: »Die Arbeit ist erledigt.«
Selbstdarstellung war Wischnewski fremd. Er war der unerschrockene Mann für heikle Missionen, der auch schwierigste Situationen meisterte. Das trug ihm auch Namen ein wie »Bonner 007« oder »Feuerwehrmann der Nation«.
Den Spitznamen »Ben Wisch«, den ihm einst Kanzler und SPD-Chef Willy Brandt gegeben hatte, trug er mit Stolz. Er hatte ihn seinen guten Drähten zur arabischen Welt zu verdanken, die er schon als Jungsozialist Ende der 50er Jahre gepflegt hatte.
Geboren wurde Wischnewski am 24. Juli 1922 im ostpreußischen Allenstein. Nach dem Krieg war er kurz Metallarbeiter und 1946 Gewerkschaftssekretär der IG Metall in Köln. Im selben Jahr trat er in die SPD ein. Wischnewski war unter anderem Bundesgeschäftsführer, Schatzmeister und stellvertretender SPD-Vorsitzender. In der SPD war er führend im eher rechts eingeordneten »Seeheimer Kreis«. Im Streit um das Parteiblatt »Vorwärts« trat er 1985 als SPD-Schatzmeister (»Ben-Scheck«) zurück. Dem Bundestag gehörte er mehr als 30 Jahre an.
Auch noch nach seiner Zeit als Staatsminister im Kanzleramt (1976 bis 1982) reiste Wischnewski zu Krisenherden vor allem in den Nahen Osten. 1986 trug er zur Freilassung von mehreren Deutschen bei, die von Regierungsgegnern in Nicaragua entführt worden waren.
Der Vollblutpolitiker und Vater dreier Kinder war bis ins hohe Alter rege. Trotz gesundheitlicher Probleme tauchte der »Kölsche Jong« immer wieder bei Veranstaltungen der SPD auf und meldete sich auch öffentlich zu Wort.
Wischnewski wurde vor knapp zwei Wochen nach einer Grippe mit Komplikationen ins Krankenhaus gebracht. Für einige Tage wurde er in ein künstliches Koma versetzt, aus dem er am Montag erwachte. Gestern Nachmittag erlag der 82-Jährige in der Kölner Uni-Klinik den Folgen des Infekts.

Artikel vom 25.02.2005