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Flamenco in Aschersleben

Simone Solga: Ostkarriere mit Witz

Von Andrea Pistorius
(Text und Foto)
Altenbeken (WV). Wer ein Basilikumbeet auf dem Friedhof anlegt, ist entweder völlig durchgeknallt, hoffnungslos sentimental oder ein beinhart kalkulierender Buchhalter. Simone Solga ist weder noch. Die temperamentvolle Kabarettistin zeichnet vielmehr auf sehr vergnügliche Weise ein realistisches Bild des vermeintlichen Investorenparadieses Ossiland, und da ist eben alles möglich.

Schuld an ihrer gegenwärtig desolaten Lebenssituation, so plauderte die blitzgescheite Blonde, ist Thomas, ein Arzt. Ihm folgte sie in einem Anfall romantischer Umnachtung nach Aschersleben, das Ende der Welt könnte kaum trostloser sein. Da war der Ausflug nach Altenbeken geradezu ein aufregendes Abenteuer - fort von Aschersleben, wo der gefühlte Altersdurchschnitt bei 85 liegt und die Drogenszene am Bahnhof in einem Zigarettenautomaten gipfelt.
Naja, und dabei hatte sie gehofft, dass Thomas sie aus einer kabarettistischen Schaffenskrise rausholen würde, weg von neonbeleuchteten Bühnen in Jugendzentren und sanftäugigen Veranstaltern namens Rüdiger. Kleinkunstpreise wie den »Feilenbacher Gurkenhobel« hatte sie auch genug angesammelt.
Und dann Aschersleben. In Sachsen-Anhalt. Doch »Mönchen« lässt sich nicht unterkriegen, sie »macht den Osten zur Chefsache« und eröffnet das Restaurant »La Perla« mit aserbeidschanischem Koch und indisch-jüdischer Küche. Die Zuhörer im Eggemuseum sehen das Lokal, das die Solga beschreibt, deutlich vor Augen, sie schnuppern das Menü, das mit Hilfe irgendwelcher Instantmischungen entsteht, und amüsieren sich über werbewirksame Aktionen wie spanische Wochen mit Flamencotanz.
Mit ihren so mühelos und spontan wirkenden Plaudereien lässt die aus Leipzig stammende Kabarettistin nicht nur lebendige Bilder entstehen, sondern karikiert zugleich den im Übereifer so häufig gescheiterten Aufbau-Ost. Investieren? Ja, gerne, aber wie, wenn es kein Fachpersonal und nur sture Bürokraten gibt? Den Bedenken tragenden Kreistagspolitiker, der zunächst noch freundlich beim Wändestreichen half, warf Simone kurzerhand raus. Seitdem kommt täglich das Ordnungsamt und die Erkenntnis: »Ich investiere in eine Zukunftsregion ohne Zukunft«.
Was ist zu tun? Eine Ich-AG als Organspenderin gründen, saufen oder in Ostalgie versinken (»wenn du denkst, es geht nicht weiter, dann frage den Brigadeleiter«)? Nein, Simone Solga steckt sämtliche Widersacher und Besserwisser in ihre Tiefkühltruhen im Keller und geht wieder auf Kabaretttour. Und das ist gut so.
Denn sie plaudert, tanzt und singt einfach großartig, wirft dabei erhellende Blicke auf Gesellschaft und Politik und sprüht vor originellen Einfällen. Übergangslos wechselt sie Rollen und Dialekte und behält doch immer den roten Faden. Dabei kokettiert sie gern mit ihrer Kleinwüchsigkeit und weiß genau, sie ist ganz groß.

Artikel vom 22.02.2005