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Bissiges aus
der alten Zeit

»Pfeffermühle« mit Rundumschlag

Von Henrike Kopmann
Espelkamp (WB). Wenn aufregen, dann richtig! Was passiert, wenn die Tagesschausprecherin sich um »Kopf und Kragen« redet? Auf der Bühne des Neuen Theaters drohte keine Gefahr. Hier wurde gehörig Dampf abgelassen.

Das Kabarett »Leipziger Pfeffermühle« übersah kaum eine Schwachstelle der Gesellschaft. Mit unkontrolliertem Grinsen spricht die Nachrichtensprecherin (Ute Loeck) in die Kamera. Wie der Zufall es will, hat sie die Ecstasy-Pillen, die ihr Sprössling zur »Prävention von Depressionen« anwendet, mit ihren Allergie-Tabletten verwechselt. Ihr Drogenrausch soll einige bisher unausgesprochene Missstände ans Licht bringen: Schröder entpuppe sich als »falsch gepolter Robin Hood«: »Er nimmt's den Armen und gibt's den Reichen«. In Deutschland sei der Schlussverkauf eingeläutet worden: Nicht nur die SPD sondern auch die Gesellschaft habe ihre Ideale verkauft. »Ich sage nur Pizzastudie. Alle Jugendlichen kennen McDonalds, aber keiner kennt Macbeth.«
»Sie befinden sich im nagelneuen Zentrum ihrer Krankenkasse, Außenstelle Espelkamp«. Mit diesen Worten führte der Versicherungsvertreter (Heinz Klever) in die Neuerungen im Gesundheitswesen ein. Der Versicherte entscheide selbst über die »Kosten seiner Krankheit«. Das Maximum an Kundenservice sei noch nicht erreicht. Drei Bypass-Operationen würden verlost. Zukünftig müsse der Kranke selbst zum Skalpell greifen. »Wozu einen Arzt? Ich verstümmle mich selbst«, so »das Gebot der Stunde«.
Natürlich müsse auch bei einer Versicherung die Kasse stimmen. Daher verstehe sich das Zurückbringen der »kasseeigenen Teile« wie einer künstlichen Hüfte vor dem Todeseintritt von selbst. Der Profit orientierte Versicherungsvertreter wünschte dem Publikum eine gute Gesundheit. Diese werde es im Zuge der Gesundheitsreform auch bitter nötig haben.
Weiter ging es direkt vor das Berliner Bundeskanzleramt. Abkommandiert, die Politiker zu schützen, diskutieren die zwei Bodyguards (Marco Schiet und Ute Loeck) über Sinn und Unsinn in der Politik: Die Reformen der Bundesregierung wurden hier zum Streichen der »Lohnfortzahlung im Gesundheitsfall« und der »gesetzlichen Sterbepflicht« als Mittel gegen die Überalterung der Gesellschaft. »Dann müssen wir ja das Volk vor den Politikern beschützen«, so die tiefgreifende Einsicht.
Neben aktuellen politischen Themen kehrte die »Leipziger Pfeffermühle«, die gerade ihr 50-jähriges Jubiläum feierte, zu ihren ostdeutschen Wurzeln zurück: Versorgungsengpässe und sozialistischer Kundenservice zeigten sich an der »Fleischertheke«. Der »Physikus Nautilus« mit etlichen Doktortiteln stellte den auf ein Achtel seiner Ausgangsgröße geschrumpften DDR-Bürger vor. Dieser entspreche der wirtschaftlichen Leistung des Staates. Auch wurden die Genossen über den unsozialistischen Charakter von Sonnenuntergängen belehrt. Schließlich müsse man nach Westen blicken.
Schließlich jedoch zeigte sich das Ensemble auf satirische Weise versöhnlich: Die Politiker als Zielscheibe der bissigen Satire seien ihre »Lieblingsfeinde«.

Artikel vom 21.02.2005