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»Sex-Täter«
ist unschuldig

Herforder wurde freigesprochen

Herford/Bielefeld (uko). Mit einem »Freispruch erster Klasse« durfte der Herforder Reza F. (Name geändert) am Donnerstag das Landgericht Bielefeld verlassen. Unschuldig hat der 21-jährige Libanese wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung in Haft gesessen. Mehr noch: Selbst die Richter entschuldigten sich gestern förmlich bei F.

Die Beschuldigungen der Herforderin Janine S. waren gravierend und schienen so glaubwürdig, dass Herforder Kripobeamte, Staatsanwältin Ruth Dringenberg-Enders und sogar die überaus erfahrenen Berufsrichter der 3. Großen Strafkammer kaum Zweifel an der Schuld des Libanesen hatten: Reza F. wurde am 1. September 2004 inhaftiert. Er habe die Mutter zweier kleinen Kinder am 30. Mai 2004 in deren Wohnung über Stunden hinweg vergewaltigt sowie sie am folgenden Tag und am 23. August 2004 mit dem Tode bedroht, falls sie ihn anzeige.
Janine S. hatte trotzdem eine Strafanzeige erstattet, wohl aber nur unter dem Druck des jetzt von ihr getrennt lebenden Ehemannes, vor dem sie sich hatte rechtfertigen wollen. Sex hatte die Frau offensichtlich mit F. wie auch mit anderen Männern gehabt. Reza F. hatte die Taten stets bestritten, sich allerdings in der Haft auch recht ungeschickt verhalten: Nach Ansicht der Staatsanwältin hatte der Libanese mit Hilfe von Zeugen falsche Alibis konstruieren wollen und so die Glaubwürdigkeit des vermeintlichen Opfers erhöht.
Im Zeugenstand wurde Janine S. gestern fünf Stunden vernommen und machte eine klägliche Figur: Ihre Aussage in nichtöffentlicher Sitzung wirkte nach Ansicht von Beobachtern »wie von einem Teleprompter abgelesen«. Nach eindringlicher Rücksprache mit ihrem Rechtsanwalt zog Janine S. ihre Anschuldigungen zurück.
Verteidiger Georg Schulze hatte schon zu Beginn der Verhandlung die Berufsrichter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und die Einstellung des Verfahrens gefordert. Die Anträge erübrigten sich schließlich, und Georg Schulze mochte in seinem Zwei-Satz-Plädoyer seine Wut über den Gang des Strafverfahrens nicht verhehlen: »Wenn ich jetzt anfange zu reden, werde ich ausfällig«, sagte er.
Dringenberg-Enders forderte ebenso knapp einen Freispruch wegen erwiesener Unschuld. Im Anschluss an den Prozess erklärte die Staatsanwältin indes, der Ausgang sei »ein gutes Zeichen für die Gerechtigkeit« und ein Indiz für die Wichtigkeit einer Hauptverhandlung, die die Wahrheit in diesem denkwürdigen Verfahren erst ans Licht gebracht habe. Kammervorsitzender Reinhard Kollmeyer letztendlich setzte mit einer einmaligen Erklärung den Schlusspunkt: »Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen«, sagte er zu dem Angeklagten. Richterin Reiberg hingegen ergänzte: »Die ganze Kammer entschuldigt sich bei Ihnen.« - Für Reza F. bleibt neben dem Freispruch nach der erlittenen Untersuchungshaft nur ein schwacher Trost: Für fünf Monate Gefängnis wird er entschädigt, er bekommt zehn Euro für jeden Tag U-Haft.

Artikel vom 18.02.2005