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Etüden über
die Eifersucht

Schumann-Wieck - ein Ehestück

Von Andrea Pistorius
Paderborn (WV). Fest davon überzeugt, dass ihre große Liebe alle Schwierigkeiten überwinden werde, pflegten Clara Wieck und Robert Schumann in ihrer vierjährigen Verlobungszeit einen intensiven Briefwechsel.

Ulrich Hub machte daraus ein Bühnenstück, das Merula Steinhardt-Unseld an den Kammerspielen mit schönen Einfällen so lebendig inszenierte, dass die beiden Persönlichkeiten deutlich hervortraten und das unglückliche Ehe-Ende der Beziehung sich bereits abzeichnete.
Die beiden musikalischen Wunderkinder, Clara Wieck (1819-1896) und Robert Schumann (1810-1856), waren 16 und 25 Jahre alt, als sie sich unsterblich ineinander verliebten. Doch von Anfang an mussten sie ihre leidenschaftliche Romanze gegenüber dem Vater Friedrich Wieck verteidigen und oft genug geheim halten. Der kannte seinen ehemaligen Klavierschüler Robert und dessen schwermütiges Naturell offensichtlich gut, außerdem dachte er daran, die Künstlerkarriere seiner Tochter, einer begnadeten Pianistin, weiter zu fördern. Doch mit väterlicher Vernunft war den Verliebten nicht beizukommen, die sogar schon die Flucht ins schottische Gretna Green überlegten. Ulrich Hub wählte deshalb ein bezeichnendes Briefzitat als Titel seines Stücks: »Du müsstest mich im Traume sehÕn, wenn ich von dir träume«.
Daniel Sonnleithner stellt Schumann als eine schwärmerische Künstlerpersönlichkeit dar, die nur für die Musik lebt und wenig Sinn für die praktische Bewältigung des Alltags zeigt. Er braucht Clara als Muse und als Magnet, der ihm Bodenhaftung verleiht. Sonnleithner läuft unruhig bis gehetzt die Bühne rauf und runter, wenn sein Schumann mal wieder von starken Emotionen gepackt wird, er wütet und trotzt und zeichnet dabei das Bild eines Menschen, der in seiner charakterlichen Entwicklung auf Kleinkind-Niveau stehen geblieben ist.
Ariane Senn lässt Clara dagegen stets sanftmütig auftreten und mit geradezu mütterlicher Nachsicht auf die Ausbrüche des Geliebten reagieren. Zu ihren Eigenschaften gehören auch Temperament und Eigensinn, schreibt sie an Robert, doch im Umgang mit ihm weiß sie derlei wohl zu zügeln. Clara erscheint in Senns Darstellung grundsätzlich als die Besonnenere: Sie weist Robert darauf hin, dass sie nach der ersehnten Heirat weiter ihre Kunst pflegen wolle, dass sie an finanziell gesicherte Lebensverhältnisse gewöhnt sei und nichts von den Aufgaben einer Hausfrau verstehe.
Robert vermutet hinter solchen Bemerkungen bloß Argumente des verhassten Vaters. So wie er nur selten wirklich auf Claras Leben und Fühlen eingeht. Sonnleithner verkörpert einen Typen, von dem frau besser Abstand halten sollte: keine Freude über Claras pianistische Erfolge, sondern nur Eifersucht; kein Mitgefühl für ihre seelische Not, sich zwischen dem Vater und dem Geliebtem entscheiden zu müssen, sondern nur egoistische Vorrang-Forderungen. Und das ist der einzige Mangel an dieser Inszenierung: Es wird nicht deutlich, dass Schumann wohl auch liebenswerte Seiten gehabt haben musste, und was Clara an diesem Mann so faszinierte.
Gut gelungen ist die Kulisse in der komplett umgeräumten Probebühne an der Klingelgasse. Clara und Robert sitzen wie die beiden legendären Königskinder auf hohen Podesten an ihren Schreibpulten, den Abgrund dazwischen vermögen sie nur selten zu überwinden. Ihre Kostüme sind historischen Vorbildern nachempfunden, wobei Clara in einem Kleid erscheint, das Roberts Bild von ihr entspricht (»mein Engel, mein Mädchen«). Theaterpianist Gerhard Gemke ergänzt die auf der Grundlage von Original-Briefzitaten entwickelte Geschichte durch Musikstücke beider Komponisten. Kultur

Artikel vom 18.02.2005