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Vom Siechenheim zum Krankenhaus

Pastor Werner Lohmann blättert in der Chronik des Jacobistifts - heute: die ersten 100 Jahre

Spenge/Werther (dh). Den Weg in die Mühlenstraße meidet Pastor Werner Lohmann. 35 Jahre hat er die Verantwortung für das Krankenhaus St. Jacobistift getragen, die Einrichtung durch Höhen und Tiefen begleitet. Umso schwerer fällt es ihm, den Abriss mitanzusehen. In einer 50-seitigen Chronik schrieb er die 127-jährige Geschichte des Jacobistifts auf. Exklusiv für WESTFALEN-BLATT/SPENGER NACHRICHTEN blättert Lohmann in seinen Erinnerungen. Werner Lohmann beleuchtet die ersten 100 Jahre.

Die Gründung des Jacobistifts 1875, das nach dem Schutzpatron der evangelischen Kirche benannt wurde, ist auf die Notlage nach dem Krieg 1870/71 zurückzuführen. Es hat sich immer mehr die diakonische Verpflichtung herausgestellt, dass die christliche Gemeinde sich der Verlassenen, Alten und Siechen annehmen musste, die keine Angehörigen mehr hatten.
Der Besitzer von Haus Werther, ein Sohn des früheren Landrates zur Hellen, stellte am 27. Mai 1873 auf der Arrode ein Grundstück für den Bau kostenlos zur Verfügung. Bereits am 21. August 1873 konnte der Grundstein für das Gebäude gelegt werden, das vom ersten bis zum letzten Stein mit Hilfe von Gaben aus der Gemeinde entstand.
Als am Neujahrstag 1875 Pastor Friedrich von Bodelschwingh aus Bethel zusammen mit dem damaligen Superintendenten Eggerling aus Werther und der Diakonisse Karoline Mertens vom Mutterhaus »Sarepta« (Bethel) das kleine Alters- und Siechenheim einweihte, war noch nicht abzusehen, welche Entwicklung das Haus im Laufe der nächsten Jahre nehmen würde.
Nachdem das kleine Jacobistift seit seiner Fertigstellung bis zur Jahrhundertwende besonders als Siechenhaus seinen Zweck erfüllt hatte, stellte sich immer mehr die Notwendigkeit heraus, ihm den Charakter eines Krankenhauses zu geben. 1904 konnte das alte Haus durch einen Vorbau in ein neues Krankenhaus mit freundlichen Krankenzimmern und einen für damalige Verhältnisse modernen Operationssaal verwandelt werden. Trotz großzügiger Spenden aus der Gemeinde konnte die Baulast von etwa 24 000 Mark erst im Jahre 1916 gedeckt werden.
Die Baulust der Wertheraner war ungebrochen: Im Jahre 1926 wurde ein Flügel an das Krankenhaus und Altenheim angegliedert. Außerdem wurden die medizinischen Bedingungen durch Aufstellung eines Röntgen- und eines Diathermieapparates wesentlich verbessert. Wenige Jahre später, 1931, wurde eine neue Isolierstation und eine modern eingerichtete Waschküche mit Trockenraum sowie eine neue Leichenkaammer nach Umbau eines Stallgebäudes in Betrieb genommen. Bis September 1963 hatte das Isolierhaus den von einer ansteckenden Krankheit befallenen Patienten gedient, bis es dann im Rahmen der Neugestaltung des Krankenhausvorplatzes abgerissen werden musste.
Vor dem Zweiten Weltkrieg stieg die Zahl der Kranken von Jahr zu Jahr an. Waren es 1933 noch 407 Patienten, so stieg die Zahl der Aufnahmen 1940 auf 705. Am Ende des Krieges (1944) wurden bei 70 Betten und acht Säuglingskörben erstmals 1 000 Patienten aufgenommen.
Die ärztliche Versorgung geschah bis zur Einstellung eines hauptamtlichen Chefarztes 1951 (Dr. Rudolf Hahmeier) durch die praktischen Ärzte am Ort. Durch den Einsatz und guten Ruf Dr. Hahmeiers entwickelte sich das Haus in den 50er Jahren so gut, dass 1955 die Erweiterung beschlossen wurde. 1956 wurde ein Trakt mit 66 Betten eingeweiht. Im Mai 1959 wurde mit dem Bau eines Schwesternwohnheims begonnen, der zweite und dritte Bauabschnitt des Krankenhaus-Anbaus folgten ab 1960, so dass der gesamte Neubau 1962 fertiggestellt war.
Zur Zeit des 100-jährigen Jubiläums 1975 konnten im  Jacobistift 191 Betten und zwölf Säuglingsbetten belegt werden, das Altenheim bot zwölf Betten. Insgesamt wurde die Arbeit von 136 Mitarbeitern bewältigt.

Artikel vom 18.02.2005