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»Tor zur Egge«
öffnet sich
Nationalpark

Altenbeken in Allianz mit Forstamt

Von Karl Pickhardt (Text und Foto)
Altenbeken (WV). »Wir sind schon jetzt das Tor zur Egge und wir werden das Tor zum Nationalpark«. Ein bisschen Euphorie schwang beim Altenbekener Bürgermeister Hans Jürgen Wessels schon mit, als der Egge-Gemeinderat nach fast dreieinhalbstündiger Debatte Unterstützung für einen Nationalpark Senne-Egge beschloss. 15 Politiker aus SPD, Grüne und FDP überstimmten elf CDU-Politiker, die dagegen votierten.

In einer denkwürdigen Altenbekener Ratssitzung mit rund 100 dicht gedrängten Zuhörern im Egge-Museum hatten zuvor Gutachter Professor Ulrich Harteisen (42) und Forstamtsleiter Franz Lödige (56) zusammen mit Bürgermeister Wessels (48) eine »Große Altenbekener Allianz« für einen Nationalpark geschmiedet. Der Paderborner Forstamtsleiter Franz Lödige, Chef über das mit 15 000 Hektar landesweit größte staatswaldbewirtschaftende Forstamt, schwor Politik und Bevölkerung auf einen Nationalpark ein. »Ich bin für den Nationalpark und werde mich dafür einsetzen«, sagte Lödige, der als Landesbeamter nach eigenem Bekunden nach zwei Nächten zum Nationalpark-Befürworter geworden sei.
Bedenken aus der Altenbekener Bevölkerung wies Lödige Punkt für Punkt zurück. Er sicherte allen Orten auch weiterhin ihr rechtlich zustehendes Deputatholz als Folge einstiger Huderechte zu. In Absprache mit Wander- und Verkehrsvereinen würden auch Wege und Zugangsrechte im Egge-Nationalpark geregelt. Privates Brennholz müsse künftig allerdings in Privat- oder Kommunalwäldern (»die freuen sich doch«) geworben werden. Das sei in einem Nationalpark nicht mehr möglich. Auf die wenigen zehntausend Festmeter Egge-Holz, die dem Forstamt Paderborn jetzt etwa 4,5 Millionen Euro Jahreseinnahme bringen, könne die Industrie ohne Arbeitsplatzverlust verzichten, weil sie ohnehin etliche Millionen Festmeter auf dem Weltmarkt kaufe.
Der Forstamtschef appellierte wie Bürgermeister Wessels, jetzt die »historische Chance« beim Schopf zu greifen und deshalb einem Nationalpark zuzustimmen. Altenbeken wandele sich von der Eisenbahner- zur Nationalpark-Gemeinde.
Lödige rechnet damit, dass die heutige Forstverwaltung (jetzt 100 Mitarbeiter) zur künftigen Nationalpark-Verwaltung mit 150 bis 250 Mitarbeitern werde. In den nächsten 50 Jahren stünde in einem Egge-Nationalpark eine Veränderung vom Fichtenwald zum urwüchsigen Buchenbestand an.
Auch Professor Dr. Ulrich Harteisen (gebürtiger Altenbekener) von der Fachhochschule Göttingen und Verfasser des nationalpark-freundlichen Harteisen-Gutachtens stellte den großen Magnet-Effekt für den Tourismus heraus. Deutschlands 16. Nationalpark werde in Senne und Egge (22 372 Hektar) mit zehn Millionen Menschen im 200-Kilometer-Umfeld in zehn Jahren für 600 Millionen Euro Umsätze bei 750 000 Übernachtungen sorgen. Naturparks oder Naturschutzgebiete hätten bei weitem nicht den Effekt das »Markenzeichen Nationalpark«. Industrie und Gewerbe seien auch weiterhin außerhalb des Nationalpark im gewohnten Umfang möglich.
Während Sprecher der Mehrheitskoalition wie Helmut Block (SPD) sowie Dr. Peter Hans-Peter Brandl-Bredenbeck und Rita Gehlhaus (beide Grüne) einen Nationalpark befürworteten, äußerte die CDU mit Fraktionschef Hermann Striewe, Johannes Eikel, Franz Bendfeld oder Christoph Weber deutliche Bedenken. Sie fürchten um Zutrittsrechte zur Egge und glauben nicht an einen nennenswerten Aufschwung und neue Arbeitsplätze mit einem Nationalpark. Den Menschen werde doch nur »Natur pur« vorgegaukelt, sagte Eikel. Letztlich habe die ortsansässige Bevölkerung die größten Einschränkungen zu ertragen. Die CDU scheiterte jedoch an SPD; Grüne und FDP mit ihrem Versuch, in einer Resolution statt Nationalpark lieber auf ein Biosphärenreservat oder ein Naturschutzgebiet wie Egge-Nord zu setzen.

Artikel vom 18.02.2005