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Flucht und nix wie heim

WV-Serie Folge 4

27. März: Werner Trienens geriet in den Bombenhagel

Paderborn (WV). Im August 1944 wurde Werner Trienens (Jahrgang 1925) in der Normandie verwundet und als nicht mehr kriegsverwendungsfähig für Sonderaufgaben eingeteilt. Ende März 1945 beschloss er, von der Truppe zu türmen. Er fuhr per Anhalter nach Paderborn - und geriet mitten in den schlimmsten Bombenangriff auf seine Heimatstadt.

»In der Frühe um sechs Uhr stand ich vor meinem Elternhaus in der Widukindstraße 31. Es war der Dienstag in der Karwoche, der 27. März 1945. Das Haus stand noch. . . Meine Eltern musste ich aus dem Bett werfen. Vater machte mir Vorhaltungen, dass ich mal wieder zu Hause war. Aber ich wollte das Ende des Krieges überleben. Das war zwar Fahnenflucht, und wer als Soldat erwischt wurde, der baumelte am nächsten Baum. Standgericht!
Mutter gedachte, nachmittags nach Sudhagen zu fahren. Dort hatte sie ein Zimmer beim Bauern Lummer. . . Noch während des Einkaufs gab es um 17.15 Uhr Voralarm. Schnell eilte ich nach Hause. Schon in der Küche, Mutter und ich wollten uns gerade auf den Weg machen, heulten um 17.30 Uhr die Sirenen zum Vollalarm. Gleich darauf erschreckten uns die Motorengeräusche der ersten Bomber, die ersten Detonationen.
Schnell in den Keller. Nun fielen in pausenloser Folge Brandbomben, Luftminen und Sprengbomben schweren und schwersten Kalibers. Ihr Pfeifen ließ uns auf die Nähe der Einschläge schließen. Mutter und ich saßen auf einer Bank eng beieinander. 20 Minuten Todesangst, das ist eine Ewigkeit.
Durch ein Fenster war eine Brandbombe in einen Voratskeller gefallen. Jetzt nur raus. Im ganzen Haus züngelten die Flammen. Auf dem Straßenpflaster lagen Brandbomben, floß brennender Phosphor einher. Gegenüber unserm Haus lag ein freies Feld, hier waren wir einigermaßen sicher.
Mutter hatte in der Aufregung die Aktentasche mit ihrem Schmuck und sonstigen Wertsachen auf dem Küchentisch stehen gelassen. Ich versuchte, über den Dachboden des Nachbarhauses in unsere Wohnung zu gelangen. Es misslang, überall ein Flammenmeer.
In den unteren Etagen konnte ich einigen Mitbewohnern noch helfen, Möbel und Hausrat nach draußen zu schaffen. Ich erinnere mich noch an das ältere Ehepaar Maaß, das zwischen seinen Möbeln auf der Straße saß. Da stürzte die Vorderwand ein; sie war schon bei früheren Angriffen stark beschädigt worden und wurde mit mächtigen Holzpfeilern abgestützt. Die Trümmer zerschlugen die paar Habseligkeiten, die wir gerettet hatten. Herr und Frau Maaß blieben unversehrt.
Mutter und ich waren nun auf dem freien Feld. Ich hatte ein paar Stühle besorgt und einige Decken, damit Mutter nicht so frieren musste. Unseren Durst stillten wir mit Apfelsaft. Einige Flaschen hatte ich aus unserem Keller geholt, der unversehrt war«.(notiert von Andrea Pistorius)

Artikel vom 23.02.2005