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»Es fehlen Baugrundstücke«

Kritik an Vergabekriterien - Eigenbetrieb »ohne Biss eines Bauträgers«

Rheda-Wiedenbrück (dibo). Das Sorgenkind »Baubranche« steckt in einem tiefen Jammertal. »Die Leute investieren nicht, halten ihr Geld zurück oder haben kein's mehr, der Markt ist gesättigt.« Wirklich? So einfach ist das nicht.

Wer sich mit Fachleuten zusammensetzt, um über die Lage am Bau zu sprechen, dem tut sich schnell ein denkwürdiges Bild auf - vor allem in Rheda-Wiedenbrück. Bauwillige, so heißt es, gibt es genug. Die Firma Splietker in St. Vit zählt allein 20 potentielle Bauherren auf einer Warteliste. Doch die Bagger können nicht rollen - es gibt einfach zu wenig Grundstücke.
Rund 15 stadteigene Areale standen Ende des vergangenen Jahres zum Verkauf, viele davon im neu ausgewiesenen Baugebiet Landweg (neben der Solarsiedlung am Ruthenbach). Doch was der Stadt gehört, wird derzeit noch nach einem Sozialranking vergeben: niedriges Einkommen, viele Kinder, wenig Eigentum, wohnhaft in Rheda-Wiedenbrück - gute Chancen. Beispiel »Baugebiet Landweg«: Hier so, sagen Kritiker, fehle der gesunde Mix aus Familien aller sozialen Schichten. Und am Landweg werden zudem viele Gewerke in Eigenleistung erstellt, das heimische Handwerk geht leer aus.
Doppelverdiener mit einer Eigentumswohnung für die Alterssicherung haben ausgesprochen schlechte Chancen auf die eigene Scholle aus städtischer Vermarktung. Was viele Häuslebauer nach Gütersloh, Oelde oder Herzebrock abwandern lässt. Und mit ihnen Hunderttausende Euro, die auch Rheda-Wiedenbrücker Firmen verdienen könnten.
Landwirte, die Acker in Bauland umwandeln möchten, gibt es laut Unternehmer und CDU-Ratsherr Michael Splietker in Rheda-Wiedenbrück genug. Doch die städtischen Entscheider in Rat und Verwaltung halten sich mit der Ausweisung zurück. Vielleicht, weil die mit dem Bauboom der 90er Jahre einhergegangenen Infrastrukturprobleme noch immer in den Köpfen nachwirken. Und genau wegen dieses Wildwuchses wurde der Eigenbetrieb Liegenschaften seinerzeit gegründet - dem, so Splietker, der »Biss eines Bauträgers« fehlt. Alles unter städtischer Kontrolle also - wobei der St. Viter bezweifelt, ob es sozial ist, wenn der Eigenbetrieb respektive die Stadt an der Vermarktung von Bauland auch noch Geld verdient.
Michael und Heiner Splietker hätten eine Idee, das Baulandmanagement wieder zu reformieren. So könnte sich ein privater Investor um die Entwicklung eines Areals kümmern, gleichzeitig bekäme die Kommune Gelegenheit, 40 Prozent des Baulandes nach einem selbst festgelegten Schlüssel aufzuteilen. 60 Prozent würden frei vermarktet. Das Gebiet werde auf diese Weise durchmischt, die Handwerker bekämen Aufträge und die Stadt spare Erschließungskosten.
In ein ähnliches Horn stößt der Langenberger Bauunternehmer Marcus Krähenhorst. In Wiedenbrück gebe es fast keine Grundstücke mehr. In Rheda ginge noch was, der Stadtteil sei aber für manchen Bauherren nicht so attraktiv. Krähenhorst vermisst den Spielraum für Unternehmer. Zwei noch nicht vermarktete Grundstücke im neuen Baugebiet am Gaukenbrinkweg habe er der Stadt abkaufen wollen - vergeblich. »Dabei hatte ich Kunden«.
Dieter Oesselke vom Unternehmen Oesselke und Löppenberg hat hat zwar keine Warteliste (»Das Angebot ist größer als die Nachfrage«), aber auch er wünscht sich mehr Handlungsspielraum. Freilich hätte auch er keine Probleme, für attraktive und günstige Grundstücke Kunden zu finden.
Nun wird sich die Stadt Rheda-Wiedenbrück bei der Vermarktung nicht das Zepter aus den Hand nehmen lassen. Ferdinand Reelsen, Beigeordneter für Wirtschaft und Finanzen, erklärte jedoch auf Anfrage des WESTFALEN-BLATTES, dass über eine Änderung der Vergabekriterien nachgedacht werde.

Artikel vom 16.02.2005