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Lautstark: Boris Becker schreit die Freude über einen Punkt heraus.

Becker bezwingt lockeren Leconte

Tennis-Gala in Minden: Der »Rote Baron« kann die Kampa-Halle nicht füllen

Von Alexander Grohmann (Text)
und Lars Krückemeyer (Fotos)
Minden/Lübbecke (WB). Boris Becker beschränkte sich auf das Wesentliche, Henri Leconte ließ keinen Gag aus: Die beiden Tennis-Helden vergangener Zeiten verzauberten in der vergangenen Woche die Mindener Kampa-Halle. Gut 1 500 Zuschauer waren vom Auftritt des dreimaligen Wimbledonsiegers aus Deutschland und seines französischen Rivalen begeistert, wenngleich nicht alles Gold war was glänzte.

So war die Halle zur Enttäuschung des Veranstalters lediglich zur Hälfte gefüllt. Die Besucher, die bereits zur Einlasszeit um 18 Uhr gekommen waren, mussten zweieinhalb Stunden auf den Hauptakt warten. Nach einem Kindertraining mit Henri Leconte durften zunächst der 17-Jährige Kolja van Lück (TC Bünde) und Marcel Pradella (14/Bielefelder TTC) auf dem blauen Teppichboden aufschlagen und ihr Können unter Beweis stellen.
Mit dem Einmarsch der »Gladiatoren« verbesserte sich dann ruckartig die Stimmung in der Halle. Während Becker anschließend auf dem Platz in sportlicher Hinsicht das Zepter in der Hand hielt, erfüllte Leconte seine Paraderolle als Entertainer mit Bravour. So legte er sich im Laufe der gut zweistündigen Tennis-Show mit Balljungen und Linienrichtern an, posierte zwischen den Ballwechseln mal eben für ein Foto und sorgte mit schauspielreifen Einlagen immer wieder für Lacher auf den Rängen. Auch der Stuhlschiedsrichter konnte den Franzosen nicht bändigen. Als dieser »Vorteil Leconte« verkündete, verbesserte der 41-Jährige zum Verzücken der Zuschauer: »Herr Leconte, bitte.«
Becker, der schließlich mit 6:3, 4:6 und 10:7 (Champions Tie-Break) triumphierte, bedankte sich artig bei seinem »Gegner«: »Es war ein großer Spaß, und das lag vor allem an Henri Leconte. Es ist immer wieder schön, gegen ihn in Deutschland zu spielen«, so der 37-Jährige. Dass er sportlich noch einiges mehr zu bieten hat als der Franzose, konnte er trotz aller Unschuldsbeteuerungen nach dem Match nicht glaubhaft widerlegen. »Auch wenn viele das immer wieder glauben, es ist nichts abgesprochen«, meinte Becker, der nach einem plötzlichen Leistungseinbruch im zweiten Durchgang und einem 2:5-Rückstand im Champions Tie-Break aber noch rechtzeitig die Kurve bekam
Das Ergebnis war aber sowieso Nebensache. Für viele Zuschauer war es das erste Mal, den »Roten Baron« aus nächster Nähe beobachten zu können. Zwei Stunden lang kam man dabei auf seine Kosten, boten beide Akteure tolles Tennis. Für den erfolgreichsten deutschen Spieler aller Zeiten war es der erste Auftritt in Minden. Vielleicht gibt es ja irgendwann ein Wiedersehen, denn abgeschlossen hat Becker mit dem Tennis-Kapitel immer noch nicht. »Ich plane, das noch eine Weile zu machen«, wird es weitere Schaukämpfe geben. Im Sommer betritt er dann noch mal die große Bühne: Da sich sein erster Wimbledontriumph im Juli zum 20. Mal jährt, ist in London eine Ehrung geplant.
Damals war Becker mit 17 Jahren gerade mal so alt wie Kolja van Lück heute, der in der Pressekonferenz gebannt den Worten des Idols lauschte. In Erinnerung werden ihm auch die Ballwechsel mit Becker bleiben, der sich mit dem »Youngster« eingeschlagen hatte. Kolja van Lück weiß: Der Weg zum Profi ist weit. Während Becker früh alles auf die Karte Tennis setzte, geht er die Sache vorsichtiger an. »Erst mal muss ich die Schule zu Ende machen.«

Artikel vom 16.02.2005