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Als Zivi in Nischni Nowgorod

Der Gohfelder Christoph Schmitt arbeitet in Russland mit Kranken und Behinderten

Von Tanja Langejürgen
Nischni Nowgorod/Löhne-Gohfeld (LZ). Der Gohfelder Christoph Schmitt arbeitet seit Ende Juli als Zivildienstleistender in Russland. Er bleibt fast ein Jahr. Der Löhner Zeitung hat der 19-jährige Absolvent des Bad Oeynhausener Kant-Gymnasiums jetzt seine Erlebnisse geschildert.

Schon die Reise war anstrengend und das Leben dort ist ganz anders als der Alltag zu Hause. »Es fing schon bei der Flugreise nach Moskau gut an«, erzählt Christoph Schmitt: »Unser Pilot entschied sich zwischendurch, über irgendeiner großen Stadt Schleifen zu fliegen.«
Doch die Landung glückte. Mit dem Zug ging es von Moskau nach Nischni Nowgorod. »Ich war begeistert von der Weite der russischen Natur und den bunten und verschnörkelten Landhäusern, den Datschen«, erzählt der Gohfelder.
Christoph Schmitt ist privat untergebracht, bei einer Frau, die in einem Wohnblock lebt. Am Anfang gab es Sprachprobleme. Um die Schwierigkeiten so gering wie möglich zu halten, entschloss sich seine Vermieterin, Deutsch zu lernen. Inzwischen ist Christoph Schmitts Russisch jedoch besser geworden. Kein Wunder: »Mit mir zusammen wohnt die beste Russischlehrerin, die man sich wünschen kann«, schwärmt er. Klava ist 18 Jahre alt und studiert an der Universität von Nischni Nowgorod.
In der ersten Zeit bekam Christoph Schmitt Unterstützung von anderen Jugendlichen, die sich bei der Gesellschaft für deutsch-russische Begegnung in Essen um einen Zivildienstplatz im Osten bemüht hatten. Sie begleiteten ihn überall hin. »Wir fielen auf wie bunte Hunde. Ob es meine Frisur oder Simons Brille war oder generell unsere Kleidung - alles unterschied sich vom Aussehen der russischen Jugend.«
Mittlerweile fühlt sich der Abiturient ganz wohl im fernen Russland. Am Anfang war er aufgrund ungewohnter Eindrücke sehr vorsichtig: »Ich habe mal einen Jungen am Bahnhof gesehen, der trug offen ein Messer zur Schau.« Die schlechte Beleuchtung der Straßen führte auch nicht dazu, dass er sich immer und überall sicher fühlte: »Immer wieder werden Geschichten von Überfällen im Park und von Diebstählen in den Straßenbahnen erzählt«, sagt Christoph Schmitt. Viele Einheimische betrachtete er deshalb argwöhnisch und trug nur Hosen, deren Taschen er entweder mit Reißverschluss oder Knopf sichern konnte. »Zu Anfang nahm ich bei jeder Fahrt den Rucksack vor die Brust«, erzählt er. Mit der Zeit ist er jedoch lockerer geworden
Die Arbeit im städtischen Krankenhaus und als Zivi im ambulanten sozialen Dienst ist anstrengend, macht aber auch großen Spaß, wie der Gohfelder erzählt, der zu Hause in der Jugendbetreuung der St.-Laurentius-Gemeinde tätig war. Er kümmert sich unter anderem um Olga. Die 26-Jährige ist in den meisten Lebenssituationen auf Hilfe angewiesen, kann allein weder gehen, essen oder trinken, würde ohne den Deutschen kaum Kontakt zur Außenwelt haben. »Mit Olga habe ich schon wunderbare Gespräche über die unterschiedlichsten Themen geführt«, erzählt Christoph Schmitt. »Selbst als mein Russisch noch nicht zur Unterhaltung reichte, haben wir viel gelacht. Wir gehen auch häufig spazieren.«
Seinen Eindrücken zufolge ist die Situation von Kranken in Russland schwierig. »Russen gehen ungern zum Arzt, weil sie wenig Vertrauen haben und dort oft lange warten müssen.« Auch sei der Umgang mit Behinderten vielfach anders als in Deutschland. Eine ältere Frau habe ihn einmal gefragt, warum er mit der behinderten Olga dauernd nach draußen ginge. »Ich sollte sie doch lieber in der Wohnung lassen.«

Artikel vom 16.02.2005