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Zeitreise in die »Golden Twenties«

»Andors Jazzband« in Kollerbeck

Von Verena Zimmermann
Kollerbeck (WB). Sie kommen ganz ohne aus -Êweder elektronische Verstärkung noch »optische Farbnebel« brauchen die markanten Musiker der »Andors Jazzband«. Sie gastierten jetzt im Saal »Zum Fuhrmann« beim 14. Kollerbecker Jazz-Frühschoppen.

Die 1978 gegründete, niederländische und neunköpfige »Small Big Band« unter der Leitung von Andor Lukacs spielte Jazz in seiner ursprünglichsten Form, dem »Old Style« und »Hot Dance«, genau wie in den »Goldenen Zwanzigern« rein akustisch. Die Gruppe verließ sich ganz auf die Spielkünste der Bandmitglieder an den verschiedenen Instrumenten wie Saxophon, Klarinette, Klavier oder Trompete.
Als die Musiker mit kleiner Verspätung und den entschuldigenden Worten »Wir hatten viel Schnee in Hamburg« unter frenetischem Jubel in dem gut besuchten Saal herzlich empfangen wurden, wartete ein musikbegeistertes Kennerpublikum schon gespannt auf die Profimusiker und Multiinstrumentalisten der »Steinzeit des Jazz«, die bereits zum elften Mal bei der Veranstaltung teilnahmen.
Mit viel Charme und Witz stellte Andor Lukacs jedes einzelne Stück vor und wusste zu jedem Titel eine kleine Geschichte oder Anekdote zu erzählen -Êzur Freunde der Zuhörer. Auch bei seinen Musiker-Kollegen kannte er kein Pardon und bezeichnete sie und sich unter den Beileidsbekundungen des Publikums selbstironisch-wehmütig als »alte, grauhaarige Männer - sofern sie denn noch Haare haben«.
Besonders Viktor Bromsgeest wurde nicht verschont, als er mit seiner rührenden Lebensgeschichte als ein »Mann ohne Katze, ohne Hund, ohne Frau und ohne Kinder« (zumindest seien ihm keine bekannt) angekündigt wurde und dann auch tatsächlich das traurige Lied »Am I blue« mit viel Herzschmerz und mindestens ebenso viel Herzblut mit Schlafzimmerblick vortrug.
Besonders jene eindrucksvollen Soli der Künstler konnten die Gäste zu Beifallsstürmen hinreißen. Auch der begeisterte Jazz-Fan Bernward Brisgies swingte ordentlich mit und fühlte sich in die Atmosphäre der Zwanziger Jahre versetzt. Sein besonderer Respekt galt den Vollblutmusikern. »Das ist doch noch wahre Musik!« stellte er zufrieden fest.
Zum CD-Kauf animierte Andor Lukacs in gewohnt spritziger Art und Weise, indem er an die Besucher appellierte, sich die bleichen, hungrigen Gesichter der »grob geschätzten« 180 Kinder der Musiker vorzustellen und dieses Elend doch zu lindern, worauf dieser Aufforderung auch prompt Folge geleistet wurde.
Mal melancholisch-träumerisch, dann wieder fetzig-fröhlich trug die Jazz-Band mit Melodien von »Fletcher Henderson« über »Ben Bernie« und »Clarence Williams «wirklich jeden aus dem Publikum auf einer musikalischen Woge davon und entführte die Zuschauer geradezu in die »Roaring Twenties«.

Artikel vom 15.02.2005