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Kurzer Weg beschert mehr Arbeit

In acht Jahren gibt's eine Abiturientenwelle - Abschlussprüfung nach Klasse 10

Von Manfred Köhler
Verl (WB). Der per Schulgesetz beschlossene kürzere Weg zum Abitur bringt für Lehrer, Schüler und Eltern viele offene Fragen mit sich. Sicher ist: Auch bei einem Abitur nach Klasse 12 soll die Qualität der Ausbildung nicht leiden. Und: Auf alle weiterführenden Schulen kommen Veränderungen zu, um die Durchlässigkeit des Schulsystems und die Möglichkeit zu erhalten, das Abitur auch in 13 Jahren zu erwerben.

Wie Dr. Rainer Wittmann vom Schuldezernat der Bezirksregierung in Detmold auf Anfrage mitteilte, gehören dazu eine einheitliche externe Abschlussprüfung nach Klasse 10 in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch und einem weiteren Fach und ein Übergangsjahr für Hauptschüler und Realschüler. Die jetzigen achten Klassen werden die ersten sein, die diese schriftliche Prüfung ablegen müssen. Außerdem könnten die weiterführenden Schulen auf Förderprogramme zurückgreifen.
»Wir werden das Abitur in acht Jahren anbieten. Es ist eine interessante Herausforderung«, erklärte der stellvertretende Schulleiter des Verler Gymnasiums (964 Schüler), Stefan Sudholt, auf Anfrage. Das Kollegium sehe dem neuen Weg positiv entgegen und werde bereits in diesem Monat in einer internen Fortbildung auf die Schulzeitverkürzung vorbereitet. Auch aus der Elternschaft der kommenden Fünftklässler seien bei einem Rundgang durch die Schule durchweg positive Reaktionen auf die Verkürzung gekommen. »Nur eines macht den Eltern Sorgen: Die Schülerwelle, die in acht Jahren in Nordrhein-Westfalen zu erwarten ist und sowohl den Einstieg in den Beruf wie auch ins Studium schwierig machen könnte«, sagte Sudholt. Im Jahr 2013 wird es nämlich zwei Abiturjahrgänge geben: die jetzigen und die nächsten Fünftklässler. In Verl werden dann etwa 200 Abiturienten die Schule verlassen
Den Realschülern, die nur eine Sprache belegt haben und nicht den erforderlichen Notendurchschnitt vorweisen können, sowie den Hauptschülern soll für den Einstieg in die Oberstufe eine Brücke gebaut werden: Sie kommen nach der 10. Klasse auf dem Gymnasium nochmal in eine 10. und werden auf die Klasse 11 vorbereitet. Sie machen also das Abitur nach 13 Jahren. Diese Klasse soll nach einem Messwert der Bezirksregierung 21 Schüler stark sein. »Ein Antrag ist gestellt«, teilte Sudholt mit. Probleme, die Übergangsklasse voll zu bekommen, sieht er nicht. »Das Abitur gewinnt immer mehr an Bedeutung«, meinte er. Seine Schule werde ein neues Konzept erarbeiten und für die Angebote werben. Bislang wechselten 15 bis 20 Schüler vor allem von der Real-, aber auch von der Hauptschule zum Verler Gymnasium.
Welche Auswirkungen das Schulgesetz auf die Realschule (768 Schüler) haben werde, das sei noch nicht ganz klar, meinte Schulleiter Manfred Viehöver: »Die Ausführungsbestimmungen haben wir noch nicht.« Es werde wohl so sein, dass mit der zweiten Fremdsprache bereits in der Klasse 6 begonnen werde. Die Stundentafel sei bereits erweitert worden. Neu sei im kommenden Schuljahr, dass die Naturwissenschaften in der fünften und sechsten Klasse zu einem Fach zusammengefasst werden.
Bernhard Klotz, Leiter der Hauptschule (550 Schüler), sieht seine Schule nicht betroffen. Man habe keine Möglichkeit, schon an der Hauptschule Einfluss auf einen Weg der Schüler zum Abitur zu nehmen. »Diese Wahl wird von einzelnen Schülern in Anspruch genommen.« Die Beratung ziele ohnehin auf die Berufsausbildung.
Am Gymnasium wird sich die Zahl der Wochenstunden von 30 auf 32 erhöhen, wie Sudholt erklärte. Vor allem auf die Unterstufe und die Mittelstufe komme eine stärkere Verpflichtung zu. »Schließlich wird ja nicht einfach ein Jahr eingespart, sondern umverteilt.«
Das Kollegium müsse kurzzeitig für Latein und Französisch um ein bis zwei Lehrer verstärkt werden. Durch den erhöhten Stundenbedarf werde der Unterricht noch mehr in den Nachmittag hinein gelegt. Deshalb denke man darüber nach, mittelfristig eine Mittagsverpflegung einzuführen. Das müsse aber mit der Gemeinde besprochen werden, die dafür zuständig sei. Dirk Hildebrandt vom Schul-, Sport- und Kulturamt sieht dem Ganzen gelassen entgegen: »Das Gesetz ist gerade erst verabschiedet und wir müssen uns damit erstmal genau auseinandersetzen.« Eine Mittagsversorgung sei zwar eine schöne Sache, aber man müsse konkret hinschauen, ob sie notwendig sei. Wie Bernhard Klotz betonte, gehöre die Versorgung der Schüler mit Mittagessen an der Hauptschule bereits zum Schulalltag.

Artikel vom 15.02.2005