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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Martin Spindler, Nieheim


Mit dem vergangenen Mittwoch hat sie begonnen, die Passionszeit (so der evangelische Sprachgebrauch) oder die Fastenzeit (so der katholische Sprachgebrauch). Stimmungsmäßig eigentlich eine der steilsten Kehren, die wir in unserer Kultur kennen: Die ausgelassene Karnevalszeit wechselt in die stille Zeit der Umkehr und der Besinnung. Dieser Wechsel ist notwendig und er bietet eine große Chance.
Tatsächlich möchte ich, selbst dem karnevalistischen Treiben gegenüber eher befremdet, wenn es sich denn wirklich um Lebensfreude auf den Sitzungen und Umzügen handelt, diese keinem Zeitgenossen miesmachen, aber die Lebensfreude will nicht nur gefeiert werden, sie braucht einen Grund, einen Halt, eine Verankerung. Sonst wäre sie gerade deshalb flüchtig, weil unser Feiern dann einfach Flucht aus dem Alltag in eine andere Welt wäre. Eine Freude, die nur für ein paar Stunden gilt, die unserem inneren Empfinden nach eigentlich gegenüber der freudlosen bitteren Wirklichkeit abgetrozt ist, macht keinen Menschen von Herzen froh. Sie ist Illusion.
Deshalb ist es wichtig, dass wir, egal, ob wir in dem Treiben der vergangenen Tage nun als Narr mitzogen oder eher etwas steif daneben standen (wie ich), jetzt die Kurve bekommen. Eine notwendige Kehre nicht deshalb, weil jetzt für das Vergnügen mit irgendwelchen Bußleistungen zu zahlen wäre. Gott neidet uns einerseits doch nicht die Freude am Leben, und wenn andererseits unsere Freude mit schuldhaftem Handeln erkauft wurde, dann ist der Schaden tiefer, als dass er mit ein paar religiösen oder sozialen Aktivitäten zu bezahlen wäre.
Sünde im eigentlichen Sinne des Wortes lässt sich nicht wie Kalorien zählen und abrechnen. So naiv sollte niemand von uns mehr sein: Es ist das Wesen der Schuld, dass es nicht wieder gut zu machen ist! Deswegen fordert der Prophet (Joel 2,13): »Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider und bekehrt Euch zu dem Herrn, eurem Gott.«
Hier liegt allerdings auch die große Chance: Wir begreifen und gestehen ein, dass es nicht in unserer Macht liegt, die zerbrochene Beziehung zu erneuern. Und wir suchen die einzige Hilfe, die uns angeboten ist: »Wenn mein Volk, über das mein Name genannt ist, sich demütigt, daß sie beten und mein Angesicht suchen und sich von ihren bösen Wegen bekehren, so will ich vom Himmel her hören und ihre Sünde vergeben und ihr Land heilen.« (2. Chronik 7,14)
Wo finden wir Gottes Angesicht? Es ist an der Zeit, den Blick auf das Kreuz zu richten: Hier sehen wir, wie teuer wir Gott sind. Die Schuld und alles Leid der Welt liegt auf ihm, Jesus, dem Gekreuzigten, damit wir Frieden haben. Deshalb kann von diesem Ort aus unser Leben neu werden, die Freude über und der Dank für dieses Geschenk an uns übersteigt alles irdische Glück, es ist wahrhaftig der Himmel auf Erden. Das erfassen wir nicht so nebenbei, wie eine Schlagzeile in den Nachrichten. Die Kurve in die Passionszeit hinein kriegen bedeutet, hier zu verweilen, vor dieser Szene auf dem Hügel draußen vor der Stadt Jerusalem. Das Bild des Gekreuzigten ist längerer Aufmerksamkeit wert, dazu sollten wir uns jetzt die Zeit nehmen. In diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen und Lesern eine erfüllte Passionszeit!

Artikel vom 12.02.2005