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Olympiasieger zieht ein Messer

Verzweiflungstat im Ausländeramt der Stadt Paderborn

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Großeinsatz im Ausländeramt der Stadt Paderborn: Fünf Polizeibeamte und zwei Ordnungskräfte haben es nicht geschafft, einen Rollstuhlfahrer ohne Beine zu überwältigen. Er sollte abgeschoben werden, entkam aber - mit einem Messer und einer Rasierklinge bewaffnet - in ein anderes Büro.

Der 34-jährige Mekhman Ramazanov ist ein bekannter Sportler. Bei den Paralympics 2000 in Sydney stemmt er 225 Kilo und gewinnt für Aserbaidschan die Goldmedaille im Gewichtheben. Zwei Jahre später, im Mai 2002 kehrt der Volksheld seinem Heimatland allerdings den Rücken und beantragt in Paderborn Asyl.
Auch hier ist der Mann, dessen Arme so muskulös wie die Oberschenkel von Anni Friesinger sind, sportlich erfolgreich, wird dreifacher Internationaler Deutscher Meister der Behinderten.
Sein Asylantrag wird trotzdem abgelehnt. Ramazanov schöpft alle rechtlichen Möglichkeiten aus. Zwei Verwaltungsgerichtsverfahren, Aufenthaltsgenehmigungsanträge bei der Stadt Paderborn, bei der Härtefallkommission des Innenministeriums, ein Ersuchen beim Bundespräsidenten - alles erfolglos. »Spätestens Mitte Januar war klar, dass er raus musste«, sagt Paderborns Ordnungsdezernent Dieter Bartha.
Das ist offensichtlich auch Mekhman Ramazanov klar. Zweimal erscheint er bei der Stadtverwaltung, einmal mit einer Rasierklinge, das nächste Mal mit einem Messer und droht: »Wenn ich abgeschoben werde, bringe ich mich um«. Als der Muskelmann im Rollstuhl zusammen mit seinem Bruder Akif gestern erneut vorstellig wird, schrillen im Ausländeramt die Alarmglocken. »Wir haben sofort Polizei und Krankenwagen angefordert«, schildert Ordnungsamtsleiter Udo Olschewski die Situation. Obwohl die uniformierten Einsatzkräfte wissen, dass Ramazanov über Bärenkräfte verfügt und gewarnt sein mussten, misslingt der mannstarke Zugriff in der Amtsstube.
Der Mann, dem ein Zug im Alter von neun Jahren beide Beine abtrennte, hüpft aus seinem Rollstuhl, hat sofort ein Messer in der Hand, bewegt sich auf Händen wieselflink in ein Nachbarbüro und droht mit Selbstmord.
»Unsere Leute waren von der schnellen Reaktion überrascht und vielleicht auch etwas gehemmt, bei einem Behinderten sofort richtig zuzupacken«, versucht Polizeirat Klaus Bunse als Einsatzleiter später zu erklären.
Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei und psychologisch geschulte Beamte rücken an. Einer Ärztin gelingt es schließlich den Verzweifelten zur Aufgabe zu bewegen.
Nach zwei Stunden und 15 Minuten lässt Mekhman Ramazanov sich widerstandslos festnehmen und wird in die Abschiebehaftanstalt Büren gebracht.

Artikel vom 10.02.2005