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Nahost: Blutvergießen beenden

Abbas und Scharon vereinbaren sofortigen Stopp der Gewalttaten

Scharm el Scheich (dpa). Nach mehr als vier Jahren des Blutvergießens haben Israel und die Palästinenser eine Waffenruhe vereinbart. Auf einem Nahost-Gipfel im ägyptischen Badeort Scharm el Scheich gaben gestern Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon eine sofortige Beendigung der Gewalt auf beiden Seiten bekannt.
Die Vereinbarung wurde von der Europäischen Union und der Bundesregierung begrüßt. Die radikal- islamische Hamas-Bewegung teilte jedoch kurz darauf in Gaza mit, sie fühle sich der Waffenruhe nicht verpflichtet.
»Wir haben einen Stopp aller Gewalttaten vereinbart«, verlas Abbas eine Erklärung an einem runden Tisch, an dem neben Scharon auch der ägyptische Präsident Husni Mubarak und Jordaniens König Abdullah II. saßen. »Dies ist der Beginn einer neuen Ära.« Scharon erklärte: »Die Palästinenser werden die Gewalt gegen Israelis überall stoppen, Israel wird die Militäraktionen gegen Palästinenser überall beenden.« Nach israelischen Medienberichten nahm Abbas eine Einladung auf Scharons Farm in der Negev-Wüste an.
Scharon rief dazu auf, die Gelegenheit für eine friedliche Einigung nicht verstreichen zu lassen. »Lasst uns die Hände reichen und ein neues Klima in unserer Region schaffen«, sagte Scharon. Er warnte zugleich davor, dass Extremisten die neue Hoffnung mit Gewalt zerstören könnten. Er bekräftigte die israelische Forderung nach einer Zerschlagung der terroristischen Infrastruktur. Nur Taten, nicht Worte, könnten die Vision von zwei friedlich nebeneinander existierenden Staaten näher bringen, sagte Scharon.
Abbas beschwor eine neue friedliche Zusammenarbeit beider Seiten. »Heute beginnen wir, die Kluft zwischen uns zu überbrücken«, sagte Abbas. »Wir haben beide eine große gemeinsame Verantwortung.« Basis von Fortschritten bei neuen Friedensgesprächen müsse der internationale Friedensplan (Road Map) sein. Ziel sei die Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaates neben Israel. Er nannte in seiner Ansprache weiter ungelöster Konfliktfragen zwischen beiden Seiten, darunter die Siedlungsfrage sowie die Freilassung palästinensischer Häftlinge.
Ein Hamas-Sprecher erklärte, man werde die Ruhe nur dann einhalten, wenn Israel sich zur Freilassung aller 8000 palästinensischen Häftlinge verpflichte. »Die Position von Hamas ist immer noch klar: Man kann dem zionistischen Feind ohne eine echte Gegenleistung keine Waffenruhe anbieten«, sagte Muschir el Masri.
Mubarak sprach in Scharm el Scheich von einem »neuen positiven Geist auf beiden Seiten«. Er sehe bei Israelis und Palästinensern die Entschlossenheit und den ernsthaften Willen zu Fortschritten. Mubarak forderte eine rasche Umsetzung der Road Map. »Die Aufgabe ist sehr groß, aber unsere Hoffnungen sind größer«, sagte Mubarak. Der ägyptische Außenminister Ahmed Abul Gheit kündigte an, Ägypten und Jordanien wollten ihre nach Beginn der Intifada abgezogenen Botschafter zurück nach Israel entsenden.
Die EU begrüßte die vereinbarte Waffenruhe. »Diese Waffenruhe ist eine Botschaft der Hoffnung, die die Aussicht auf Frieden, der auf einer Zwei-Staaten-Lösung beruht, verbessert«, erklärte EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner. Der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des Europaparlaments, der Bielefelder CDU-Abgeordnete Elmar Brok, erklärte in Jerusalem, der erfolgreiche Gipfel erfordere eine sofortige Unterstützung durch die EU. Scharon und Abbas strebten ohne Zweifel eine friedliche Lösung an. Sie hätten aber nur dann eine Chance, wenn beide Völker schnell Vorteile spürten.
Die Bundesregierung bezeichnete die Waffenruhe als »wichtigen Schritt« auf dem Weg zum Frieden in der Region.

Artikel vom 09.02.2005