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»Trümmer und fast täglich neue Opfer«

Sechs Wochen nach der Flut: Georg Hesekamp aus Sri Lanka im WESTFALEN-BLATT-Gespräch

Von Klaudia Genuit-Thiessen
Halle/Sri Lanka (WB). Mit der Flut kam das Chaos. Nur wenige Kilometer entfernt von den Trümmern wartet Georg Hesekamp jetzt auf seinen Hilfseinsatz. »Wenn das Geld und Informationen aus Halle kommen, was damit passieren soll, miete ich ein Geländefahrzeug«, sagte der Haller auf Sri Lanka gestern in einem Telefonat mit dem WESTFALEN-BLATT.

Derzeit lebt Hörstes letzter Bürgermeister, der der Lindenstadt bei einer sinnvollen Verwendung der Spendengelder helfen will, in der Nähe des Mount Lavinia. Dieser Berg ist ca. 50 Kilometer entfernt von der Küste, wo der Tsunami am zweiten Weihnachtsfeiertag das Entsetzen und den Tod an Traumstrände brachte. Ein Urlaubsparadies, dessen ohnehin schon schlechte Infrastruktur Hesekamp jetzt katastrophal nennt. »Der Verkehr hat enorm zugenommen, und die schlechten Straßen sind total überlastet. Ohne Geländewagen geht kaum noch etwas«, berichtet der 68-jährige Haller, der regelmäßiger »Wintergast« auf Sri Lanka ist.
Als die Flutwelle kam, war er gerade auf einer Asienreise. Über Malaysia war er nach Bali geflogen - allerdings auf die nicht betroffene Seite der indonesischen Insel. Die Nachrichten von der Überschwemmung sah er im Fernsehen, bevor er über Bangkok und Colombo in das Inland von Sri Lanka flog. Erst nach und nach habe man erfahren, wie schlimm es die Küste getroffen habe, erinnert er sich an eine richtige Völkerwanderung zu den Trümmern, die das Wasser hinterließ. Jeder habe versucht, sich selbst ein Bild von den furchtbaren Geschehnissen zu machen.
»Ich habe mich erst abseits gehalten. Aber als ich aus Halle hörte, dass wir helfen wollen, bin ich mit einem Intercity-Bus dorthin gefahren«, erklärt Georg Hesekamp. Er habe gehört, dass es heute an einigen Stellen Sri Lankas sogar noch Hungersnot geben soll. Die Hilfe der Welt ist wichtig, doch Spenden einfach an öffentliche Einrichtungen oder Verwaltungen zu geben, hält es für überaus riskant. Das Geld könnte irgendwo versickern. »Ich glaube inzwischen nichts mehr, was ich nicht selbst sehe«, bezeichnet er die Zustände im Land, wo vor anderthalb Wochen noch immer Leichen angespült worden seien, als »unvorstellbar für uns Europäer«.
Ebenso erstaunt hat ihn, wie die Menschen auf Sri Lanka - Singhalesen, Tamilen und Moslems - mit Tod und Trauer umgehen. Selbst eine Frau, die durch die Flut zwei Angehörige verloren habe, habe ihren Verlust »viel freier und gelassener« hingenommen, als man sich das vorstellen könne.
Viele Straßen in der Küstenregion sind nahezu unpassierbar. Doch wenn in Halle Entscheidungen getroffen sind, wem man helfen will, will Hesekamp sich sofort auf den Weg machen. »Man muss hier alles vor Ort erledigen. Sei es, dass wir in einem Kindergarten helfen wollen oder in einer Schule - ich will die 50 Leute, denen wir vielleicht helfen, mit eigenen Augen sehen!«

Artikel vom 09.02.2005