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Tankstellen-Raubzüge
zur Drogen-Finanzierung

Zwei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe

Von Hans-Heinrich Sellmann
Kreis Gütersloh (WB). Immer wieder hatte der 22-jährige Martin B. aus Versmold in die Kassen von Tankstellen im Kreis Gütersloh gegriffen, um seine Sucht zu finanzieren. Gestern verurteilte ihn das Landgericht Osnabrück zu zwei Jahren und neun Monaten Freiheitsentzug.

Das Osnabrücker Gericht befasste sich mit dem Fall, weil der Mann bei einem Überfall in Dissen gefasst worden war. Mehr als 1500 Euro erbeutete der Mann zuvor in einer weiteren Tankstelle in Dissen (Aral) und der des Shell-Konzerns in Halle. Fakten, die Martin B. unumwunden zugab und die ihm normalerweise eine Freiheitsstrafe von (mindestens) drei Jahren eingebracht hätten, zumal er jeweils auch noch eine Schreckschusspistole dabei hatte.
Doch zwei entscheidende Aspekte kamen dem jungen Mann zugute. Einerseits war die Pistole nicht geladen und damit keine Waffe im strafrechtlichen Sinne, andererseits war der Täter »Oberkante voll« - mit Drogen aller Art. Nach eigenen Angaben war er seit seinem 18. Lebensjahr an jedem Wochenende in der Techno-Szene unterwegs, hatte von LSD bis Kokain fast alle gängigen Rauschmittel konsumiert und ist seitdem abhängig. Traurige Bestätigung fand diese Entwicklung schwarz auf weiß in einem weiteren Punkt der Anklageschrift: Zwischen Oktober 2003 und Januar 2004 habe er in mindestens 30 Fällen in Gütersloh und Osnabrück jeweils fünf Gramm Kokain und anderes Rauschgift zum Preis von mindestens 250 Euro erworben. So hatten die Überfälle nur einen Zweck: Geld beschaffen, um Nachschub kaufen zu können.
Der Sachverständige, ein Facharzt für Psychiatrie, sprach von einem »Suchtdruck nach Kokain«. Martin B. habe durch seine fünfjährige Drogenabhängigkeit eine Beeinträchtigung der Hirnfunktion: Konzentration und Aufmerksamkeit seien erheblich gestört. »Schließlich war es ihm egal, ob er erwischt wird oder nicht.« Dass er während der Taten in Dissen kaum oder gar nicht maskiert gewesen sei, könne sogar als eine Art Hilferuf verstanden werden. Aufgrund des erheblichen Drogen-Einflusses schloss er für diese Fälle sogar eine Schuldunfähigkeit nicht aus.
Das Gericht stellte daraufhin das Verfahren bezüglich der Dissener Aral-Tankstelle ein - »zum Wohle von uns und insbesondere Herrn B.«. Die genaue Feststellung der Schuldfähigkeit hätte wohl nie ganz geklärt werden können.
Es blieben der Überfall in Halle, der versuchte Überfall auf die Westfalen-Tankstelle und die diversen Drogendelikte. Hier erkannte das Gericht eine fehlende Steuerungsfähigkeit an: »Wir bestrafen nur jemanden, der weiß, was er tut.« Zugute kamen Martin B. auch die Aussagen von zwei Zeugen des Dissener Überfalls. Sie hätten festgehalten, dass er sich merkwürdig verhalten und auch geäußert habe, endlich ins Gefängnis zu wollen.
»Sie haben sich um den Verstand gedopt und befinden sich auf dem Weg zur Hölle. Wenn sie nicht gestoppt werden, sind sie uns teuer, aber nicht mehr lieb«, machte Richter Salewski klar. In der anerkannt rigorosen Fachklinik Nettetal bekommt B. die Chance, seine Sucht zu therapieren. Sollte er scheitern, warten die Gefängnismauern auf ihn.

Artikel vom 08.02.2005