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Robert Michels
Titgenbürger

Tolle Büttenreden beim Meisterfrühstück

Von Ulrich Schlottmann (Text und Fotos)
Warburg (WB). Er ist ein richtiger Titgenbürger und jetzt auch noch Träger des »Titgenburger Schildes«: Landwirt und Schützenoberst Robert Michels (62), dessen Familie nachweislich seit 1723 in Warburg ansässig ist, erhielt den Orden am gestrigen Rosenmontag während des traditionellen Meisterfrühstücks des Meister- und Gewerbevereins im wie immer vollbesetzten Saal des »Papenheimer Hofes«.

Er fühle sich sehr geehrt, bekannte Robert Michels, und er versprach, ein würdiger Träger des Schildes zu sein, das alljährlich treuen Besuchern des Meisterfrühstücks für Verdienste um ihre Heimatstadt verliehen wird. Das »Titgenburger Schild« ist kein Narrenorden, aber die Begründung für die Ehrung von Robert Michels war naturgemäß doch eher launig zu verstehen. Er habe sich große Verdienste sowohl um die Gastronomie als auch um die Industrie erworben, heißt es in der Verleihungsurkunde, und zwar als Besitzer des »Ratskellers« zwischen den Städten und als Verkäufer von landwirtschaftlichen Flächen für Industrieansiedlungen.
Die Verleihung des »Titgenburger Schildes« stand natürlich im Mittelpunkt des Meisterfrühstücks - des 111. in der 112-jährigen Geschichte des Meister- und Gewerbevereins übrigens -, es war aber beileibe nicht der einzige Höhepunkt dieser Karnevalsveranstaltung, durch die ein wieder glänzend aufgelegter Zeremonienmeister Franz Freitag führte.
Frank Baumann aus Körbecke eröffnete den Reigen der Büttenredner als Bördebewohner, der die gute alte Zeit noch miterlebt hat und nicht nur dieser, sondern vor allem den kittelbeschürzten Dorfgastwirtinnen nachtrauert. Aber so viel anders war es Baumann zufolge früher gar nicht: »Auch damals gab es alte Menschen - nur nicht so teuer wie heute.« Und noch eine Weisheit aus Körbecke: »Gegen körperliche Macken half 30 Morgen Rüben hacken.«
Aufs Korn nahm Baumann auch die Pisa-Studie, die in der Börde noch gar nicht durchgeführt worden sei, »denn hier leben ja nur Koniferen«. Ganz pisa-mäßig erklärte er auch, warum es »Er kommt nach uns« heißen muss: »Zu sich kommt man ja nur nach einer ausgedehnten Zechtour.« Es war ein Vergnügen, diesem intelligenten Vertrag über das wahre Leben in der Börde zuzuhören - da stimmte jede Nuance. Das Publikum war begeistert.
Als »Hein von der Waterkant« ist Stephan Suhr aus dem Warburger Kanevalsgeschehen nicht wegzudenken. Der Gast aus dem hohen Norden sprach sich diesmal dafür aus, die obere Hauptstraße, »die vielbefahrenste Fußgängerzone der Welt«, wieder ganz für den Autoverkehr freizugeben: »Dann ist man schneller beim Herkules.« Als »Hinterbänkler aus Berlin«, der aus persönlicher Finanznot einen Sponsor sucht, stand Winni Volmert in der Bütt. Natürlich gab er auch seinen Altstadtbahnhof-Blues zum besten - das Meisterfrühstück ist eben eine Traditionsveranstaltung.
Scharfzüngig wie eh und je zeigte sich Bernd Overbeck als indiskreter Briefträger, der in der Ratspost einen Vertrag entdeckt hat, in dem Bürgermeister Stickeln, Kreisdirektor Dr. Conradi und CDU-Fraktionsvorsitzender Willi Vonde einen Wochenkalender für den »Schwarzen Peter« in Sachen St. Petri-Hospital festgelegt haben. Bemerkenswert fand der Postbote auch ein Schreiben von der Provinzial-Versicherung, in dem der Brand eines Hauses am Paderborner Tor als halb so schlimm eingestuft wird, weil ja das Trinkbüdchen erhalten geblieben sei. Und auch aus einem Brief an den zweimal gescheiterten SPD-Bürgermeisterkandidaten Josef Kremper zitierte der Briefträger. Dem sei empfohlen worden, es noch einmal zu versuchen, weil seine Chancen steigen würden, wenn die CDU-Mehrheitsfraktion so weitermache. »Da ist was wahres dran«, kommentierte der Postbote diese Aussage.
Von Skandälchen und Geschichten, die vom Coming-out Guido Westerwelles bis zum Rückbau der B 7 reichten, erzählten die wieder einmal hervorragenden »Papenheimer Hofsänger«. Ihr Fazit: »Das ist uns völlig wurscht; das ist uns scheißegal; das interessiert nicht mal ein Schwein; man setzt uns Wasser vor und sagt es wäre goldner Wein«. Für das St. Petri-Hospital wurde der Refrain allerdings in »Das ist uns gar nicht wurscht« umgedichtet. »Hoffentlich heißt es hinterher nicht: Operation gelungen, Patient tot«, so die Karnevalsbarden.
Die Stimmung war wieder prächtig im Saal des »Papenheimer Hofes«, und August Pielsticker brachte sie - wie in jedem Jahr - zum Überkochen. »Ich komme mir langsam vor wie Johannes Heesters«, bekannte der Alt-Schützenoberst. Aber als er gewohnt temperamentvoll »Am Strande von Rio« und »Käthchen« sang, war davon nichts zu spüren. Meister, Gesellen und Honoratioren standen schunkelnd auf den Bänken - das gibt es nur in Warburg, das gibt es nur beim Meisterfrühstück!

Artikel vom 08.02.2005