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Barocke Furcht vor Flüchtigkeit

Kammerkonzert mit Marais Gamben Consort vermittelt Lebensgefühl

Halle (cl). Musikliebhaber erfreuten sich am Samstagabend in der St. Johanniskirche an einem nicht alltäglichen Kammerkonzert.

Das Marais Gamben-Consort spielte unter dem Titel »Mein sind die Jahre nicht« Werke bekannter Meister des Frühbarock, gepaart mit Texten aus dieser Epoche, die sich auf sehr unterschiedliche Weise zum Thema Zeit und Vergänglichkeit äußern. Damit hatte das weltweit renommierte Musikerensemble eigens für die Haller Bach Tage ein Programm zusammengestellt, das sich meisterhaft in das diesjährige Thema einfügte.
Das Gamben-Consort machte auf umfassende Weise mit der Kammermusik des 16. bis 17. Jahrhunderts bekannt, wo die Gambe das wichtigste Streichinstrument der Ensemblemusik war. Die vier Gambenspieler Heike Johanna Lindner, Brian Franklin, Hans-Georg Kramer und Hermann Hickethier wurden von Ingelore Schubert am Cembalo begleitet, die auch zwei Solo-Stücke vortrug. Die Werke von Melchior Vulpius, John Dowland, Jan P. Sweelinck und anderen drückten vielerlei Emotionen aus, von fröhlicher Ausgelassenheit bis hin zur Trauer. Besonders in der Suite »Ludorum musicorum« von Samuel Scheidt konnte man sich von der dramatischen Vielschichtigkeit der barocken Melodien überzeugen: gemeinsames Spiel, Zwiesprache und Wettstreit zwischen den Instrumenten. Sensibel und konzentriert - eine hervorragende Ensembleleistung.
Neben dem exzellenten Musizieren verstanden es die Musiker, nachdenklich stimmende Texte von William Shakespeare bis Hofmann von Hofmannswaldau zu lesen. So heißt es in Andreas GryphiusÕ Betrachtung der Zeit: »Mein sind die Jahre nicht, die mir die Zeit genommen... der Augenblick ist mein...«, und der japanische Dichter Matsuo Basho spricht in seinem tibetischen Gedicht von der »Flüchtigkeit des menschlichen Lebens«. Flüchtig ist auch die Musik; kaum sind die Töne erklungen, sind sie schon Vergangenheit. Doch sie hinterlassen Spuren in uns, Gefühle, Assoziationen und Erinnerungen. Dem Publikum konnten die Künstler an dem Abend ein Stück barockes Zeitgefühl vermitteln, was mit viel Applaus honoriert wurde.

Artikel vom 07.02.2005