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Stehende Ovationen für Ex-Kantor

Bach-Tage: Soirée in der Johanniskirche mit Burghard Schloemann

Halle (WB). Wie war das doch noch vor 37 Jahren? Zumindest Musik und Organist waren die selben wie am Sonntag. Bei der Soirée in der Johanniskirche spielte Burghard Schloemann sein Programm aus dem Jahr 1968 - fast unverändert. Zur Freude der 350 Zuhörer, die meisten von ihnen waren Freunde des ehemaligen Haller Kantors.

Bekannte, Schüler, gute Freunde - zahlreiche Hände musste Burghard Schloemann am Ende des Konzerts mit dem nostalgischen Flair schütteln. Schließlich hatte nicht nur die Musik Erinnerungen an den Professor für Tonsatz geweckt, der von 1961 bis 1969 der Leiter der Johanniskantorei war und die Bachtage begründete. Zwischen den Stücken gab er neben musikalischen Einführungen auch viele Anekdoten zum Besten, die seine besondere Verbindung zu Halle spiegelten.
So blickte er zum eröffnenden »Magnificat«, einem Lobgesang der Maria von Samuel Scheidt, auf die unermüdliche Arbeit in der Kantorei zurück. Arbeit, die auch die Verwaltung betraf. Und das wiederum verband mit Johann Sebsatian Bach, so erzählte Burghard Schloemann, denn der Musiker war Lehrer an der Thomasschule und deshalb mit Papierkram wohl ebenso vertraut. Dennoch nannte ihn ein Zeitgenosse »zwanzigmal besser als den berühmten Orpheus«, denn er habe seine Ohren stets überall. »Man muss bei der Orgel immer nach oben und nach unten hören«, fasste es Schloemann zusammen.
Ein Rezept, das auch für die Zuhörer in der Johanniskirche galt. Nachdem er zwei Bearbeitungen des »Magnificat« kurzerhand strich, erläuterte er Johann Nepomuk Davids »Oh, du armer Judas«. Damals war es eine Uraufführung. Jetzt sagte Burghard Schloemann: »Ich habe nochmal darüber nachgedacht, was wir dem Publikum damit eigentlich angetan haben.« Denn das Stück ist nicht einfach. »Man versteht es nur über Bilder«, sagte der Organist und spielte die vier entscheidende Motive direkt vor: Der Haken, an dem Judas sich erhängt, versinnbildlicht ein einziger Ton am Anfang, der dann in Quinten am Schluss des ersten Satzes gesteigert wieder ertönt. Der Teufel erscheint als schmeichelnde Schlange in sich windenden Läufen und als düsteres Tanzmotiv im Bass. Dieses Motiv erscheint 30 Mal und steht so für die Silberlinge, die Judas für seinen Verrat bekam. Letztlich gibt es ein »Sich aufbäumen von Schuld« vertont in quer-gelegten, kraftstrotzenden Akkorden.
So wurde die Musik verständlicher und der Abend schöner. Das Publikum dankte es mit Standing Ovations. So dass Burghard Schloemann, der an den Registern von Birgit Badorreck, geborene Schulz, unterstützt wurde, dem Publikum gleich noch »etwas Gutes tat«. Dazu muss man nämlich Mozart spielen, meinte Halles Ex-Kantor. Das hatte er zwar programmgemäß schon mit der Waisenhausmesse in f-moll getan. Als Zugabe gab es aber noch einmal Mozart mit dem spielerischen Adagio für Glasharmonika in C-Dur. EISCHE LOOSE

Artikel vom 08.02.2005