07.02.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Die »dröge Domstadt« wird zum »Jeckenborn«

15 000 von der zweiten Karnevalsparade begeistert

Von Hubertus Hartmann
und Wolfram Brucks
Paderborn (WV). »Das ist ja wie früher in Köln«, freute sich Bernd Trautmann, als zwei Sambagirls ihn in ihre Mitte nahmen. Ein dickes Lob aus berufenem Munde für den Paderborner Karnevalsverein »Drei Hasen«: »Was die hier auf die Beine gestellt haben, ist echt klasse«, meinte der ehemalige Kölner Polizist, der heute Bezirksbeamter an der Pader ist.

In der Tat mausert sich die scheinbar so humorlose Hochstiftmetropole zum »Jeckenborn«. Die Faszination des Straßenkarnevals ist von der rheinischen Domstadt in die westfälische übergeschwappt. Wer's nicht glaubt, muss nur Jacqueline fragen. Die 19-jährige Paderbornerin arbeitet in Düsseldorf. Die tollen Tage verbringt sie nicht an der längsten Theke der Welt, sondern auf der Narrenmeile zwischen Marienplatz und »Theo«. Mit ihr feierten auf den Straßen und Plätzen unzählige Karnevalsfans. »Das waren mindestens 15 000«, schätzt die Polizei, »wenn nicht mehr«. Vielfach verkleidet und maskiert freuten sie sich mit den Aktiven im Festzug.
Mehr als 70 Fußgruppen und Wagen, doppelt so viele wie bei der Premiere im vergangenen Jahr, zogen singend, jubelnd und lachend vom Maspernplatz durch die City. Beinahe zwei Stunden dauerte die farbenprächtige Parade. Die Aktiven des Karnevalsvereins warfen zentnerweise Bonbons in die Menge. Hofnarr Sascha Neumann brüllte mindestens 3000 mal sein »Hasi« ins Mikrofon. Und aus tausenden Kehlen schallte das »Palau« zurück. Das Prinzenpaar Ralf und Elfi Hindrak hatte auf dem von drei großen Papphasen gezogenen Prinzenwagen sichtlich Freude an dem Spektakel.
Die beteiligten Gruppen bewiesen eine Menge Phantasie und reagierten schnell auf den aktuelle Fußball-Wettskandal und das verschobene Pokalspiel. Da sah man einen Thijs Waterink mit Geldkoffer, SC-Fan Daniel (26) hatte sich in aller Eile eine Schiedsrichter-Kluft gebastelt und zeigte allen die rote Karte. »Hoyzer: Paderborn hat gewonnen - ehrlich«, stand zwischen Geldscheinen auf seinem Trikot. Selbst HSV-Fans Lothar (54), in den Farben seines Vereins aufmarschiert, räumte ein: »Paderborn hat wirklich gut gespielt«.
Derb bis makaber tat eine Gruppe von schwarz vermummten Henkersknechten ihre Meinung über George Bush kund: Sie setzen den US-Präsidenten auf den elektrischen Stuhl. Ein Wagen aus Sande veralberte die RTL-Soap Dschungelcamp: »Holt mich hier raus, ich bin ein Narr«. Grundschulen verkündeten selbstbewusst: »ABC das können wir - PIAS komm, wir zeigen's dir«. Kindergärten sorgten für Farbtupfer, Sportvereine zogen sich selbstironisch durch den Kakao, Feuerspucker setzten gewaltige Flammen gegen den blauen Himmel, wilde Tiere und Hausschweine hüpften vergnügt durch das Spalier der begeisterten Zuschauer, Gruppen in venezianischen Kostümen, feurige Samba-Tänzerinnen und Indianer verbreiteten internationales Flair.
Schon nach zwei Jahren steht fest: Die Karnevalsparade der »Drei Hasen« ist aus Paderborn nicht mehr weg zu denken.

Artikel vom 07.02.2005