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Stumme Zeugen vergangener Kultur

Grabhügel und Werkzeuge geben Auskunft über ersten Ackerbauern am Teutoburger Wald

Von Friederike Niemeyer
Steinhagen (WB). Wo heute Spaziergänger Ruhe und Erholung suchen, da schlichen einst Jäger und Sammler durchs Gehölz. In der Patthorst rasteten bereits vor mehreren tausend Jahren in der Mittelsteinzeit Menschen und ließen kleinere Feuersteinwerkzeuge zurück. Und dort am Ufer des Foddenbaches - am heutigen Schnatweg - entstand später eine der Ursiedlungen auf Steinhagener Gebiet, wie der Archäologe Dr. Daniel Bérenger erläutert.

Bérenger, Leiter des Bielefelder Amtes für Bodendenkmalpflege, einer Außenstelle des Westfälischen Museums für Archäologie Münster, hat sich intensiv mit den so genannten Bodendenkmälern am Fuße des Teutoburger Waldes befasst. Sie geben Zeugnis von den Anfängen der Besiedlung des heimischen Raumes und lassen vorsichtige Rückschlüsse auf die Lebensweise der damaligen Menschen zu. Bérenger kann dabei auf die Forschungen von Heinrich Meise (Amshausens verdienter Heimatkundler) und von Walter Adrian aus Bielefeld zurückgreifen. Sie entdeckten bereits steinerne Pfeilspitzen oder Schaber am Oberlauf des Foddenbaches und vor allem die Grabhügel aus der Bronzezeit (1700 bis 700 vor Christus), einer Zeit also, als die hiesigen Menschen das Nomadendasein aufgegeben und sich erste Familienverbände als Ackerbauern niedergelassen hatten.
Heute ist solch ein Grabhügel - eine etwa zehn mal 20 Meter große und eine keinen Meter hohe Erhebung am Waldboden - nur für das geübte Auge erkennbar. Die Menschen, die sie angelegt haben, sahen in ihnen würdige Grabmäler für ausgesuchte Persönlichkeiten. An prägnanten Punkten ragten sie mächtig in die Höhe. Unter Sand verborgen befand sich ein kreisförmiger Spitzgraben von 14 Meter Durchmesser, der den eigentlichen Grabbezirk, also die Ruhestätte des Toten, von der Welt der Lebenden trennte. Ein zweiter Ring aus aufgeschichteten Holzbohlen bildete zudem eine Art Wand. In der Mitte fanden die Forscher Überreste eines Baumsarges. Grabbeigaben sind hingegen äußerst selten bei dieser Form der Bestattung.
In der späteren vorrömischen Eisenzeit (700 bis 450 v. Chr.) hatte sich anscheinend die Bestattungskultur »demokratisiert«, meint Daniel Bérenger. Denn neue Gräber wurden nachträglich in den Hügelkörper eingefügt: Tonurnen mit den Überresten nach der nun üblichen Leichenverbrennung. »Normal war die Körperbestattung im Bodensarg. Die Brandbestattung ist eine Eigentümlichkeit aus dem Paderborner Raum, die anscheinend bis hierher ausstrahlte«, so Bérenger.
Insgesamt etwa 20 solcher Grabhügel finden sich auf Steinhagener Grund, einige davon inzwischen zerstört. Neben dem Foddenbach- (»Pfotenbach-«) Tal waren vor allem die Deterts Heide nahe Jung Pumpen und im Osten (schon auf Queller Gebiet) die Dianastraße Fundorte für Grabhügel und andere Spuren früher Siedlungen. Auffällig ist dabei -Êund das entdeckte bereits Heinrich Meise -, dass diese Orte allesamt entlang der heutigen B 68 liegen (diese Trasse war schon in diesen frühen Zeiten ein wichtiger Verkehrsweg) und zudem »Kreuzungen« mit Wegen in Nord-Süd-Richtung markieren.
Bemerkenswert ist, dass es keine Zeugnisse für eine Besiedlung am Fuße des Teutoburger Waldes nach 300 vor Christus mehr gibt und dass erst im zwölften Jahrhundert die gesamte Sandebene südlich davon besiedelt wurde und der Boden nun völlig anders genutzt wurde. Die frühen Bauern waren lange, lange fortgezogen, als sich im Mittelalter Menschen dauerhaft in der Ebene niederließen und die Ursiedlungen von Brockhagen und Steinhagen schufen. Liegt die Ursache für diese Siedlungslücke von immerhin 1450 Jahren etwa in einer regelrechten Landreform in der Zeit Karls den Großen etwa oder eines Landesherrn?
Auch Daniel Bérenger kann nur spekulieren. Doch wird sich diese zeitliche Kluft kaum schließen lassen, ist doch im erschlossenen Gemeindegebiet nicht mit neuen Sensationsfunden zu rechnen. Wenn neue Funde, dann sind sie eher auf dem Boden etwa der Patthorst zu erwarten. Denn: »der Wald konserviert«, sagt Bérenger, »und täuscht so eine Fundleere vor, die es wahrscheinlich nicht gibt«.

Artikel vom 05.02.2005