07.02.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Eine Sternstunde in den Bach-Zeiten

Kantatenkonzert in Johanniskirche begeistert Zuhörer - Musik gegen die Vergänglichkeit

Halle (WB). Am Anfang der Bach-Zeiten in Halle steht die Schönheit - klar, streng, harmonisch. Vier Kantaten von Johann Sebastian Bach rückten dem Publikum in der St. Johanniskirche am Freitagabend im ersten Chorkonzert ein Stück dieser Schönheit ganz nahe. Eine musikalische Sternstunde, der enthusiastischer Applaus folgte.

»Im Garten der Zeiten« blühte zu Beginn des Konzertabends der berühmte »Actus tragicus« auf, den Bach aus unbekanntem Anlass komponiert hat. »Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit«: Bachs Musik sei später vielleicht reifer gewesen, aber nie tiefer, wies Kirchenmusikdirektor Martin Rieker auf die symmetrische Struktur der Kantate hin, die wie ein barockes Schloss oder ein Kirche gebaut sei.
Die Unausweichlichkeit des Todes steht im Mittelpunkt der Eröffnungskantate. Doch der Tod verliert seinen Stachel durch den Glauben. Der an diesem Abend nur 20-köpfige Bachchor stimmte das Lob Gottes an. Bei den beeindruckenden Tempowechseln war das kleine Orchesterensemble aperto nicht unbeteiligt. Die Musiker spielten auf Instrumenten in historischer Stimmung: einen halben Ton tiefer. Die Streichinstrumente, allen voran die Viola da Gamba und der Continuo, aber auch die Altflöten, die - zum Teil unisono - die Bachläufe perlen ließen, später das Barockfagott und die Oboe sind entweder Originalinstrumente oder Nachbauten nach Museumsstücken. Auch wenn Flöten bei Bach wohl die Ausnahme bilden: So muss der Meister sich das vorgestellt haben.
Drei junge Solisten mit klangvollen Stimmen hat Rieker für die Aufführung gewonnen: den Tenor Benoît Haller, der seine Aufgaben souverän erfüllte, den sympathisch-ruhigen und mit großer Ernsthaftigkeit singenden Bassbariton Ralf Grobe und Barbara Ostertag (Mezzosopran). Eine schöne Überraschung waren die Soli der Hallerin Elke Knuffinke, die auf die Schnelle noch unterstützend einsprang. Unsentimental schwang sich ihr Sopran von der Kanzel unter das Gewölbe des Kirchenschiffs, kraftvoll und rein vor allem in den Höhen.
»Sehet, wir gehen hinauf nach Jerusalem«: Mit Oboe und Fagott steigen in dieser Kantate aus dem Jahr 1729 auch Bass und Alt in Tonleitern herauf. Beeindruckend schließlich die Bass-Arie »Es ist vollbracht«.
Riekers kleine Programmänderung brachte die Kantate »Christ lag in Todesbanden« (aus dem Jahr 1707 und damit ein außerordentliches Frühwerk Bachs) an die dritte Stelle des Abends. Ein variationsreiches Halleluja, das die Zuhörer wieder einmal davon überzeugte, dass der Bachchor zu Recht das Rückgrat der Bachtage bildet. Wunderschön vor allem die nur von Sopran- und Altstimmen in Gambenbegleitung gesungenen Zeilen »Den Tod niemand zwingen kunnt ...« Auch in der letzten Kantate, »Aus der Tiefe ruf ich, Herr zu dir«, dominierte der Chor, der die Bitte um Erlösung zum Ruf macht. »Ich harre des Herrn« klagte der Chor inbrünstig, und der Tenor schloss sich an: Nur die Hoffnung und der Glauben bieten Trost gegen die Vergänglichkeit. Und die Musik.Klaudia Genuit-Thiessen

Artikel vom 07.02.2005