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Das gibt Auftrieb: TV Verl
glänzt gegen müden TBV

Der Bundesligist siegte »nur knapp« - Voss mit »fiesen« Toren

Von Uwe Caspar (Texte)
und Wolfgang Wotke (Fotos)
Verl (WB). Die letzten zwei Minuten: Der ganz in Schwarz gekleidete »Einpeitscher« Mario Mekus erhob sich von seinem Platz und forderte mit erhobenen Armen die Zuschauer auf, es ihm gleich zu tun. Die große Kulisse ließ sich nicht zweimal bitten: Standing Ovations der 800 Fans, die Halle bebte. Den finalen Beifallsorkan hatten sich vor allem die Gastgeber verdient: Der TV Verl unterlag der Star-Truppe des TBV Lemgo nur mit 22:30 (11:16) und feierte die wider Erwarten sehr mäßig ausgefallene Niederlage wie einen Sieg. Völlig zu Recht.

Zum Vergleich: Bei den vorangegangenen Visiten der Lipper in Verl fielen die (standesgemäßen) Erfolge des TBV - damals sogar ohne seine Nationalspieler - jeweils mit einem Unterschied von 27 Toren aus. Dass die Differenz zwischen Bundes- und Landesliga diesmal auf acht Treffer zusammenschrumpfte, entschuldigte ein gelassen wirkender Volker Mudrow mit der harten Trainingswoche inklusive zweier Testpartien gegen TuS N-Lübbecke und GWD Minden. »Natürlich kann ich mit unserer Vorstellung nicht zufrieden sein. Doch im Moment sind alle ziemlich geschlaucht«, wies der TBV-Coach auf die extreme Beanspruchung der vergangenen Tage hin. Auch »Blacky« Schwarzer erschütterte der »knappe« Sieg überhaupt nicht. »So ist das eben: Wenn eine kleine Mannschaft auf den großen TBV trifft, wächst sie meistens über sich hinaus«, lächelte der Kreisläufer.
Dennoch hatten sich auch die leidenschaftlich kämpfenden Verler Akteure vom Auftritt des vermeintlich übermächtigen Rivalen etwas mehr versprochen. Selbst Lemgos Funktionär Jens Lause räumte ein, dass »heute ein paar Kabinettstückchen gefehlt haben«. Bezeichnend, dass Nachwuchsmann Michael Binder in Verl auffälligster Gäste-Profi war. »Ich habe die von Mudrow angekündigten Kombinationen sowie den gefürchteten Tempo-Handball vermisst. Der Bundesligist kann sicherlich 50 Prozent mehr bringen«, urteilte Matthias Lewerenz. Dass sich die müden Mudrow-Männer recht schwer taten, lag aber nicht zuletzt an der famosen Gegenwehr des fünf Klassen tiefer angesiedelten TVV, dessen Rückstand vorübergehend nur drei bis vier Tore betrug.
»Mit unserer offensiven Deckung haben wir den Spielfluss des TBV lahmgelegt - es sind ja nur wenige Treffer über den Kreis gefallen«, freute sich Marco Perschke über das selbstbewusste und forsche Auftreten seines Teams. »Welcher Landesliga-Handballer kommt schon mal in den Genuss, gegen Europameister wie Blacky Schwarzer, Daniel Stephan und Volker Zerbe antreten zu dürfen«, zählt Marco dieses Match unbedingt zu den Highlights seiner Laufbahn.
Das dürfte ebenso für seinen in der ersten Halbzeit überragenden Mitstreiter Olaf Voss gelten. Zur Gaudi der Besucher düpierte da der Routinier mit »fiesen« Würfen gleich mehrmals die TBV-Abwehr einschließlich Ex-Nationaltorhüter Christian Ramota. »Super, ich habe gleich vier Bundesliga-Spieler verschlissen«, marschierte ein prächtig gelaunter Olaf grienend in die Halbzeitpause. Stark auch Torhüter Norman Kern und der später für ihn eingewechselte Hendrik Balsfulland, der kurioserweise eine Zeitstrafe kassierte. Wegen Fußabwehr im Spielfeld.
»Heute hat jeder gesehen, dass unsere Mannschaft doch lebt. Wir hätten sogar fünf Tore mehr machen können«, hofft TTV-Trainer Manfred Meereis, dass seine dank Lemgo neu motivierten Schützlinge den frischen Wind mit in die Meisterschaftsrunde nehmen können. »Wir haben's wirklich drauf. Wenn wir jetzt noch unseren Kopf einschalten, müsste es doch klappen«, sieht Marco Perschke gute Titelchancen. So wie der Initiator der Handball-Gala, Mario Mekus. »Ich bin stolz auf unser Team, das nicht mehr aus Einzelkämpfern besteht.
Und wer so auftrumpft, der hat den Aufstieg verdient«, machte Mekus den Jägern der HSG Löhne-Obernbeck Mut.
Qualität bescheinigte ebenfalls Jens Lause den Gastgebern. Der Lemgoer wunderte sich, dass »die Verler in ihrer Liga nur Zweiter sind«. Doch nun muss der TVV zeigen, dass man auch im rauhen Handball-Alltag (endlich) auf hohem Niveau agieren kann.
So wollte Volker Mudrow zwar die glänzende Leistung des Landesligisten keineswegs schmälern, gab aber gleichzeitig zu bedenken: »Dafür kann sich Verl auch nichts kaufen.« Stimmt. Die Pflicht ist meistens schwerer als die Kür.

Artikel vom 07.02.2005