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Weiber entern die Rathäuser

Hans Hermann Bluhm und Michael Stickeln im Visier der Närrinnen

Von Jürgen Vahle
und Carsten Reinhardt
Peckelsheim/Warburg (WB). Im Handstreich haben gestern an Altweiberfastnacht die Frauen die Macht in den Rathäusern in Peckelsheim und Warburg übernommen. Die Bürgermeister Hans Hermann Bluhm (Willebadessen) und Michael Stickeln (Warburg) mussten die Schlüssel ihrer Amtssitze herausrücken.

Nach nur 114 Tagen im Amt ist er dieses nun schon wieder los: Willebadessens Bürgermeister Hans Hermann Bluhm kapitulierte um 14.40 Uhr in Peckelsheim vor dem Ansturm des närrischen Volks, das sich nicht etwa durch den Haupteingang des Rathauses, sondern durch das leichter zu öffnende Portal der Zehntscheune Zutritt verschaffte.
Ein Herz auf der rechten Wange, ein Kleeblatt auf der linken, dazu eine Statur mit »Türsteher«-Qualitäten - half alles nichts: Bluhm kapitulierte vor der Schar von 60 Karnevalisten, die seine Bastion mit Rufen wie »Pickel Jauh« und »Eissen Mentau« bedrängten.
Allen voran die Peckelsheimer Prinzessin Brigitta I. (Sake): Eben noch hatte sie das Stadtoberhaupt charmant umgarnt, da war sie plötzlich ab, Bluhms Wollkrawatte. Ein gezielter Schnitt mit dem Messer des Karnevalsfreundes Willibernd Schröder, das war's. Immerhin ließ Ihre Tollität Brigitta I. Gnade walten mit der Fliege des Bürgermeisters, war auf ihr doch ein 100-Dollar-Schein zu sehen. Aus der leeren Stadtkasse wollten selbst die Narren nichts »rauben«, wo sie doch bis Aschermittwoch selbst im Rathaus »regieren«.
Ohnehin scheinen die Peckelsheimer Witzbolde Helfershelfer in dieser Behörde zu haben: Als sie den Sitzungssaal der Zehntscheune enterten, schallte ihnen schon laute Party-Musik entgegen. Es war also alles bereits angerichet, als Lothar Jonietz, Vorsitzender von »Pickel Jauh«, die Absetzung des Bürgermeisters verkündete und den Raum, der sonst bisweilen ernste politische Debatten erlebt, kurzerhand zum »Konferenzsaal der Bundesagentur für Vergnügen« deklarierte.
Ganz außen vor blieb die Politik aber nicht. Als Karnevalist Jonietz den Hobby-Tänzer Bluhm trösten wollte, sagte er, das Kompetenz-Gerangel zwischen Bluhm und dem Stadtrat sei eher »Eiertanz statt Tango«. Heute solle keiner Grund zum Jammmern haben, seine Jecken jedenfalls seien gekommen, um Spaß und Freude zu verbreiten.
Das sah auch Paul Arens, Vorsitzender der Eissener Karnevalisten, so: »Mit Spaß und Humor geht diese Stadt niemals pleite«. Bluhm trug es mit Fassung: Er sprach nach dem Rathaussturm von der nächsten »schweren Hürde« und übergab die Schlüssel an Prinzessin Brigitta I. und an Prinz Michael I. (Götte). »Ihr werdet den Laden schon schmeißen, ihr Narren aus Peckelsheim und Eissen«, scherzte das Stadtoberhaupt.
»Bürgermeister Michael Stickeln, Anmeldungen in Zimmer 218« steht da an der Arbeitszimmertür des Warburger Stadtchefs geschrieben. Solche Schilder konnten die drei Dutzend Frauen aus der Stadt- und Kreisverwaltung gestern nicht schocken. Gradewegs drängten sie Stickeln und seinen Ersten Beigeordneten, Engelbert Berendes, zurück in die Amtsstube - und das natürlich ohne Voranmeldung.
Dort wurde lautstark die Herausgabe des Rathausschlüssels gefordert. Stickeln - aus seiner Zeit in der Volkmarsener Stadtverwaltung natürlich im Karneval erprobt - gab schnell klein bei. Das war auch besser so, denn die Damen rückten als Piratenweiber an und waren bis an die Zähne mit Enterhaken, Messern und Säbeln bewaffnet. Der Bürgermeister musste als Kapitän verkleidet in einem Papp-Schiff Platz nehmen und die Späße der Damen über sich ergehen lassen. Im Anschluss hatten die beiden Männer alle Hände voll zu tun, die renitente Meute unter der Führung von Carina Päckert und Daniela Otto ruhig zu stellen.
Die beiden Männer verteilten flugs Sekt und Schnaps. Ungeschoren davon kamen sie aber dennoch nicht. Während Michael Stickeln innerhalb weniger Sekunden der Schlips - es war offensichtlich ein 80er-Jahre-Modell - abgeschnitten wurde, hatte Engelbert Berendes das zweifelhafte Vergnügen, eine Plastikkappe auf sein schütteres Haupthaar setzen zu müssen. Wenig später büßte auch er die Krawatte ein.
Erst als die beiden Chefs einen kleinen Obolus in die »Kriegskasse« der Piratenmeute geworfen hatten, ließen die narrischen Damen von ihnen ab. Die Feier wurde anschließend im Aufenthaltsraum der Verwaltung und in einem Warburger Restaurant fortgesetzt.

Artikel vom 04.02.2005