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Martin Schrahe ist Diplom-Betriebswirt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater (Beratungsverbund HPS).

Gläserner Bankkunde wird Realität

Erfassung von Kapitalvermögen: Finanzminister wird zum »großen Bruder«


Von Martin Schrahe
Herford (HK). »Es war ein klarer, kalter Tag im April, und die Uhren schlugen gerade dreizehn, als . . .« So beginnt Orwell seinen 1949 erschienenen Roman »1984«. In Deutschland entwickelt sich der Finanzminister immer mehr zum »großen Bruder«. Im Bereich der Erfassung von Kapitalvermögen wird der Überwachungsstaat bei uns Realität. Ab dem 1. April 2005 können die Finanzämter bei inländischen Banken gezielt Informationen zu Konto- und Depotverbindungen abrufen. Damit kann die Finanzverwaltung die Vollständigkeit der Steuerbescheinigungen überprüfen, die neuerdings die Banken an alle ihre Bankkunden verschicken müssen. Ab dem 1. April 2005 haben die Finanzbehörden durch das Zusammenwirken von Kreditwesengesetz, Abgabenordnung und Einkommensteuergesetz die Möglichkeit, Kenntnis über sämtliche inländischen Konten und Depots jedes einzelnen Steuerpflichtigen zu erlangen. Zwar umfasst die Möglichkeit lediglich die Kontostammdaten, also die Daten der Errichtung und Auflösung sowie Name und Geburtsname des Inhabers und des Verfügungsberechtigten, jedoch ist es den Finanzbehörden möglich, mit diesen Daten weitere Auskunftsersuchen zu starten und auf diese Weise Kenntnis für alle auf den Konten stattgefundenen Kontobewegungen zu erlangen. Am einfachsten gelingt dies, indem sie sich von den Banken die neuen zusammenfassenden Jahresbescheinigungen vorlegen lassen. Darin müssen alle steuerlich relevanten Kapitaleinkünfte und vor allem auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften angegeben werden. Neu für alle Steuerpflichtigen ist, dass eine Kenntniserlangung über die Auskunftsersuchen weder durch den Steuerpflichtigen noch durch die Bank im ersten Schritt möglich ist. Das Kreditinstitut muss sicherstellen, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht diese Dateien nach Belieben in einem automatisierten Verfahren abrufen kann. Der Zugriff der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht darf dem Kreditinstitut nicht bekannt sein. Dafür hat das Kreditinstitut im Rahmen seiner eigenen EDV selbst Sorge zu tragen. Ausgehend vom Wissen über Konten und Depots können die Finanzbehörden in einem weiteren Schritt die Jahressteuerbescheinigungen vom Steuerpflichtigen selbst, dann auch von den Kreditinstituten anfordern. Der gläserne Bankkunde wird Realität.

Artikel vom 05.02.2005