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Hölle auch auf dem Jahrmarkt

Beckmann-Schau in der Reithalle

Von Andrea Pistorius
Paderborn (WV). Der Maler und Grafiker Max Beckmann (1884-1950) gilt als führender, wenn auch eigenwilliger Vertreter der klassischen Moderne. Sein Weg durch die Zeit und die Kunstgeschichte lässt sich anschaulich in einer Ausstellung nachvollziehen, die heute (19 Uhr) in der Städtischen Galerie in der Reithalle eröffnet wird.

Der Rundgang beginnt bei den Frühwerken, die Beckmann nach einem Studium an der Kunstschule in Weimar und Studienaufenthalten in Paris und Florenz anfertigte. Da finden sich Porträts freundlich blickender Menschen und auch eine Bootspartie, angefertigt im Steindruckverfahren auf verschiedenen Papieren. Die Lithografie verwendete Beckmann auch gern für die Illustrierung literarischer Stoffe wie dem mythologischen Zyklus »Eyridikes Wiederkehr«, in dem sich bereits typische Stilmerkmale der Künstlergruppe »Berliner Sezession« finden, der er angehörte: Einsam steht der Mensch inmitten der großen Schöpfung und ihrer entfesselten Naturgewalten.
Mit Beginn des Ersten Weltkriegs verändern sich Technik und Stil des Künstlers, der fortan die Kaltnadelradierung bevorzugt und seine Motive härter und kontrastreicher darstellt. Geprägt von den Erfahrungen, die Max Beckmann als Frontsoldat machte, zeichnet er die grauenvolle Realität des mörderischen Kampfes jenseits aller Heldentod-Propaganda; Landser und Krankenschwestern irren mit verängstigten und erstarrten Gesichtern durch apokalyptische Szenerien.
Unter dem Eindruck des Kriegseinsatzes ist auch das Mappenwerk »Hölle« (1919) entstanden bestehend aus elf großformatigen Lithografien, die den Menschen als Strandgut im tosenden Treiben der Großstadt zeigen. Alle Bildbestandteile stürzen in- und übereinander und der Künstler stellt sich als leidender Beobachter dazu. Selbst auf dem »Jahrmarkt« (1921) können die Protagonisten in Beckmanns Welttheater nicht fröhlich sein. Dieses zweite wichtige Mappenwerk mit zehn Kaltnadelradierungen führt an einen Ort des Schreckens, den lediglich Erwachsene bevölkern, die verloren herumstehen, ohne miteinander in Kontakt zu treten.
Selbst die Landschaften von Max Beckmann sind Orte, in denen die einzelnen Bestandteile nicht zu einem harmonischen Ganzen zusammenfinden. Strandzelte stehen seltsam deplatziert am Meer, Wolken türmen sich bedrohlich am Horizont auf. Der Rundgang schließt mit dem Zyklus »Day and Dream« (1946), den der Deutsche in seiner amerikanischen Wahlheimat schuf. Ein Teil dieser Lithografien wurde aquarelliert und erhielt dadurch einen neuen, malerischen Charakter.
Unter den zahlreichen Porträts der Ausstellung finden sich viele Selbstbildnisse des Künstlers und einige Holzschnitte. Sie zählen zu den Raritäten im grafischen Gesamtwerk Beckmanns, das zum überwiegenden Teil im Sprengel Museum Hannover archiviert wird. Knapp 100 Blätter aus dieser Sammlung hat die Kunsthistorikerin Dr. Andrea Wandschneider für die Paderborner Werkschau ausgewählt.
(Max Beckmann - Jahrmarkt und Hölle, bis 17. April, Städt. Galerie in der Reithalle, Schloß Neuhaus, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr)

Artikel vom 04.02.2005