02.02.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Razzia bei Gütersloher Anwalt

Justiz ermittelt nach mehreren Anzeigen - Gelder von Hilfsbedürftigen veruntreut?

Von Wolfgang Wotke
Gütersloh (WB). Die Polizei hat am Montag die Praxisräume einer Rechtsanwaltskanzlei in Gütersloh durchsucht und zahlreiches Aktenmaterial beschlagnahmt. »Wir ermitteln wegen des Verdachts der Veruntreuung von Geldern von betreuten Personen«, sagte gestern der Sprecher der Bielefelder Staatsanwaltschaft, Harald Krahmüller, dem WESTFALEN-BLATT.

Die Ermittlungen, so Krahmüller, richteten sich in erster Linie gegen den Mitinhaber der Kanzlei, Rechtsanwalt Olaf O., der auch als Berufsbetreuer arbeiten soll. Nach Informationen dieser Zeitung sollen die Beamten während der Razzia stapelweise unterschriebene Blanko-Quittungen von betreuten Personen beschlagnahmt haben.
Seit einigen Monaten gehen Staatsanwälte in Nordrhein-Westfalen Hinweisen nach, die sich aus einem Sonderprüfungsbericht des Landesrechnungshofes (LRH) ergeben (wir berichteten). Demnach sind die Ausgaben der Justiz für die Aufwandsentschädigung und Vergütung von Betreuern in NRW von 1,3 Millionen Euro (1992) auf 97 Millionen Euro (2001) explosionsartig angestiegen. Der LRH verzeichnete im Jahr 2001 mittlerweile 225 000 Betreuungsfälle, in einem weiteren Schritt ordnete man die Einzelzahlungen den jeweiligen Empfängern zu und ermittelte damit die an die einzelnen Betreuer aus der Landeskasse gewährten Gesamtvergütungen. Im Ergebnis, so steht es im Prüfungsbericht, wurden die Zahlvorgänge des Haushaltsjahres 2001 insgesamt 33 000 Empfängerkonten zugeordnet. Für 2200 Konten wurde aufgrund der Beitragshöhe unterstellt, dass es sich um Konten von Berufsbetreuern handelte. Auf 516 dieser Konten waren jeweils Gesamtbeträge von mehr als 51 000 Euro gebucht.
Darunter waren zum Teil Konten von Anwaltssozietäten oder Bürogemeinschaften mehrerer Betreuer, eine Vielzahl von Konten mit hohen Jahresbeiträgen bezog sich aber auf einzelne Berufsbetreuer. Es wurde festgestellt, dass in einigen Fällen Kassendaten über abgerechnete Betreuungszeiten eine Vielzahl unplausibler Zeitansätze mit der Folge zweifelhafter Vergütungsansprüche zu Lasten des Landes vorlagen.
Der Gütersloher Anwalt soll laut LRH-Prüfung als Betreuer im Jahr 2000 insgesamt 245 414,18 Mark und 2001 insgesamt 190 950,05 Mark von der Justizkasse des Landes Nordrhein-Westfalen erhalten haben.
Außerdem wurden durch den Landesrechnungshof in Gütersloh noch ein Betreuungsbüro überprüft sowie im Kreis Gütersloh zwei weitere selbständige Berufsbetreuer.
Ob die Gütersloher Kanzlei von Mitinhaber Olaf O. in Bezug auf den LRH-Bericht durchsucht worden ist, wollte Harald Krahmüller so nicht bestätigen. »Es liegen mehrere Anzeigen gegen ihn vor, denen wir jetzt gezielt nachgehen«, sagte der Oberstaatsanwalt dieser Zeitung. Man habe einen konkreten Anfangsverdacht.
Der LRH erachtet die Einrichtung einer justizinternen Kontrolle der Betreuervergütungen jetzt für dringend geboten. Hierauf könne selbst im Hinblick auf die seitens des Bundesgesetzgebers angestrebte und auch vom LRH befürwortete Pauschalierung der Betreuervergütung nicht verzichtet werden, heißt es im Prüfungsbericht an den Landtag vom 22. März 2004.

Artikel vom 02.02.2005