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Kreissparkasse Halle wegen
falscher Beratung verurteilt

Zwei Ehepaare aus Halle und Werther Opfer bei Aktienanlagen
Kreissparkasse legt Berufung beim Oberlandesgericht Hamm ein

Von André Best
Halle (WB). Wegen falscher Finanzberatung bei zwei Privatkunden droht der Kreissparkasse Halle eine Schadenersatzzahlung in sechsstelliger Höhe. Vor dem Landgericht Bielefeld wurde das Kreditinstitut in beiden Fällen verurteilt. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Die Kreissparkasse hat Berufung beim Oberlandesgericht Hamm (OLG) eingelegt.

Die Ehepaare aus Halle und Werther sind beide seit etwa 30 Jahren Kunden der Kreissparkasse Halle. Beide Paare haben in all den Jahren großen Wert auf sichere Anlageformen wie dem Kreissparkassen-Zuwachssparen gelegt. Ende 1999 wurde alles anders. Die Berater der Kreissparkasse Halle machten den Ehepaaren spekulativere Anlageformen wie Aktien schmackhaft - mit bösen Folgen.
Besonders bitter ist der Fall des Ehepaares aus Werther. Mitte 1999 haben die 59-jährige Frau und ihr Ehemann (60) um eine Beratung bei ihrer Bank gebeten. Sie hatten 20 000 Mark gespart und wollten das Geld anlegen. In der Wertheraner Kreissparkassenfiliale riet der Berater dazu, Aktienfonds zu kaufen. Das taten die Kunden auch, weil sie der Kreissparkasse vertrauten. Von Wertpapiergeschäften hatten sie selbst keine Ahnung. Es gab weitere Gespräche bei der Kreissparkasse. Dem Ehepaar wurde empfohlen, auch noch Aktien zu kaufen. Aktien seien »viel sicherer«, habe der Berater dem Ehepaar gesagt. Damit könnten hohe Gewinne erzielt werden. Dem Ehepaar wurde nahe gelegt, einen Kredit aufzunehmen. Bei ihrem Verdienst sei das doch kein Problem.
Das Ehepaar nahm einen Kredit in Höhe von 41 000 Mark auf, um damit Aktien zu kaufen. »Uns wurden sogar 200 000 Mark angeboten. Man könne daraus ein Baufinanzierungskredit machen, weil hier die Zinsen niedriger seien. Der Berater betonte, dass 70 Prozent Gewinn doch gar nichts sei«, sagte der Ehemann aus Werther dem WESTFALEN-BLATT.
Das Dilemma nahm seinen Lauf. Anfang 2000 brach die Wertpapierbörse zusammen, die Verluste waren groß. Um diese auszugleichen, sollte das Ehepaar weitere Kredite aufnehmen. Das taten sie dann auch. Doch die Lage wurde nicht besser, sondern immer schlimmer. Am Ende hatten sie Kredite über insgesamt 185 000 Mark abgeschlossen. Der gesamte Verlust einschließlich Zinsen und erspartem Geld ist laut Angaben des Opfers heute doppelt so hoch.
Mit anwaltlicher Hilfe verklagten die Opfer die Kreissparkasse Halle auf Zahlung von 120 000 Euro wegen fehlerhafter Beratung. Das Landgericht gab dem Ehepaar hinsichtlich des ersten Kredits in Höhe von 41 000 Mark (plus 8000 Mark Zinsen) Recht. Hier habe sich die Kreissparkasse nicht »anlegergercht« verhalten, hieß es im Urteil. Wieviel das Ehepaar jedoch zurückerhält, das ließ das Gericht noch offen. Ein weiteres Gutachten soll darüber Aufschluss geben.
Der Ehemann ist in ärztlicher Behandlung, leidet unter Depressionen und Schlafstörungen. »Mir ist Unrecht geschehen. Ich habe mich gefühlt wie in einem Spielcasino. Es war ein Teufelskreis, aus dem ich nicht wieder heraus kam«, sagte er dem WB.
Im Fall des Haller Ehepaars wurden zwar keine Kredite aufgenommen - stattdessen steckten der 70-jährige Mann und seine 64-jährige Ehefrau sämtliches erspartes Geld auf Empfehlung der Kreissparkasse in Aktienfonds - und das, obwohl sie eine Anlageform zum Zwecke der Alterssicherung wollten. »Die Bank versprach uns eine neunprozentige Rendite.« 130 000 Mark hatten sie angelegt, am Ende war nur noch die Hälfte davon da. Das Ehepaar bekam vor Gericht Recht. Der Streitwert wurde auf 24 000 Euro festgesetzt. Im Urteil heißt es wörtlich: (...) durch falsche Anlageempfehlung ist ein Schaden entstanden (...) Ein Mitverschulden der Kläger (...) kommt nicht in Betracht.
Kreissparkassendirektor Hartwig Mathmann wollte sich zur Sache nicht äußern. »Wir sind der Meinung, dass wir richtig gehandelt haben«, meinte Mathmann. Personelle Konsequenzen werde es im Moment nicht geben. Fortsetzung folgt vor dem Oberlandesgericht.

Artikel vom 03.02.2005