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Religionen wollen Rechte der Frau stärken

Interreligiöses Seminar im Jugendhof Vlotho

Vlotho (sto). Seit einigen Jahren laden der Jugendhof Vlotho und das AKE-Bildungswerk in Vlotho Christen, Muslime und andere Interessierte zu einem interreligiösen Gespräch ein. Dieses Mal beschäftigten sich knapp 20 Christen und Muslime mit dem Thema »Geschlechtergerechtigkeit in den Religionen«.





»Bevor die Männer und die Kinder das Haus nach Sonnenuntergang verlassen, um in die Synagoge zu gehen, entzündet die Frau des Hauses vor Shabbatbeginn zwei weiße Kerzen. Sie bedeckt ihr Haupt mit einem Tuch, empfängt das Licht und die Wärme der Kerzen, verschließt die Augen und spricht folgende Brachá: ÝGelobt seiest Du, Herr unser Gott, König der Welt, der Du uns geheiligt durch Deine Gebote und uns befohlen hast, das Shabbatlicht anzuzündenÜ«
Mit diesen Worten begann Referentin Monica Domeij-Gaul, Ethnologin und Kulturvermittlerin aus Kassel ihren Vortrag, der den jüdischen Traditionen gewidmet war. Von der besonderen Rolle der Frau am Sabbat führte er über die »hohe Stellung der Frau im Judentum« bis hin zu aktuellen Fragen der Mitwirkung von Frauen in religiösen Institutionen.
An viele Punkte konnten Antje Röckemann, evangelische Pfarrerin im Frauenreferat des Kirchenkreises Gelsenkirchen-Wattenscheid, und Nigar Yardim, muslimische Theologin und Hodscha aus Duisburg, jeweils aus christlicher und islamischer Sicht anknüpfen.
Organisiert und geleitet wurde das Gespräch von Gerhart Schöll, Sabine Haupt-Scherer (Jugendhof) und Ahmed Musa Ali (AKE-Bildungswerk). Viele Teilnehmenden waren erstaunt über das große gemeinsame Potential der drei abrahamitischen Religionen (»warum nur Stammvater Abraham und nicht auch Stammmutter Sarah/Haggar« wurde spontan gefragt, als dieser Begriff fiel). Bemerkenswert fanden sie die grundlegende Tendenz, in ihren jeweiligen Kontexten und Entstehungssituationen die Rechte der Frauen zu stärken und damit zu Geschlechtergerechtigkeit beizutragen.
»In allem, was Sarah dir sagt, höre auf sie« war Monica-Domeij-Gauls Referat überschrieben. Es wurde deutlich, dass gerade die Besinnung auf die jüdischen Wurzeln und auf die jeweiligen heiligen Schriften der Religion ein Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit in den jeweiligen kulturellen Zusammenhängen sein kann.
Angesichts vieler Textbeispiele aus der jüdischen und islamischen Tradition, die das Recht und die Bedeutung der Frau unterstrichen, aber doch eher von »traditionellen« Rollenzuweisungen ausgingen, was die Tätigkeitsfelder (Frau eher für Haus, Küche, Familie?) betrifft, wurde auch die Frage gestellt, was das für eine Interpretation in modernen Gesellschaften bedeuten könne. Interessant war die Feststellung, dass zwar in allen drei Religionen auch in der Vergangenheit Frauen eine wichtige Rolle gespielt haben, dieses aber in der Überlieferung oft zurückgedrängt oder nicht erwähnt wird. Wo neben den eher gemeinsamen Inhalten auch Unterschiede liegen und welche gemeinsamen Aufgaben auf uns zukommen, dies noch intensiver anzusprechen, war an dem knappen Wochenende nur noch ansatzweise möglich.
Die Tagung schloss mit einem interreligiösen Gebet, in dem die Religionen sich Gastfreundschaft in ihren Gebetstraditionen gewahrt haben.

Artikel vom 02.02.2005