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Aus dem Leben der »Unehrlichen«

Der Gütersloher Hans Richard Schittny veröffentlicht mit 80 seinen ersten Roman

Von Alexander Gionis (Text und Foto)
Gütersloh (WB). Als »Jungautor« kann man ihn wohl nicht bezeichnen: Der stadtbekannte Gütersloher Apotheker Hans Richard Schittny hat nach einigen dokumentarischen und wissenschaftlichen Büchern nun seinen ersten echten Roman vorgelegt - im stolzen Alter von 80 Jahren.

»Unehrlich geboren« heißt das Werk, in dem Schittny aus einem seiner vielen Hobbys eine spannende Geschichte gemacht hat, in der die raue Wirklichkeit des Lebens im 18. Jahrhundert auf manchmal ziemlich drastische Art anschaulich wird.
»Bei meiner Ahnenforschung bin ich darauf gestoßen, dass mein Ur-Ur-Urgroßvater in Prag Feldmeister war, und da ich mir nichts darunter vorstellen konnte, hab' ich einfach weiter geforscht«, sagt Schittny, dessen weitere Recherchen Spannendes hervorbrachten.
Ein »Feldmeister« war im 18. Jahrhundert in größeren Städten Angestellter des Scharfrichters. Und zwar jemand, der als Abdecker, Kadaverbeseitiger und Totengräber einer Arbeit nachging, die zwar gut bezahlt wurde, ihn aber zum Stande der »Unehrlichen« zählen ließ. »Diese Menschen waren aus der Gesellschaft Ausgestoßene, durften eigentlich keine Gasthäuser besuchen und waren sogar aus der Kirche ausgeschlossen«, fand Schittny heraus und strickte um diese Erkenntnis eine Romanhandlung über die Schwierigkeiten, der Kaste der »Unehrlichen« zu entkommen.
Im Roman erzählt Hans Richard Schittny parallel die Geschichten der Familien des Scharfrichters Janos Cerny und seines Feldmeisters Jan Zitny. Sowohl Cerny als auch Zitny möchten ihren Söhnen die damals übliche Vererbung des »unehrlichen« Berufs ersparen. Dies gelingt jedoch nur bei Zitnys Sohn Wenzel -ÊCernys Sohn Ottokar hingegen verprasst das Geld seines Vaters, wird Hochstapler und Falschmünzer.
Der Name »Zitny« deutet es schon an: Hinter der Figur des Wenzel verbirgt sich Hans Richard Schittnys Ur-Urgroßvater. Dem war es nämlich geglückt, den Beruf des Schneiders zu erlernen und mit der Heirat der Tochter seines Lehrmeisters eine »ehrbare« Familie zu gründen.
»Ich wollte schildern, wie das Leben damals war«, sagt Schittny der aus diesem Grund auch vor ziemlich drastischen Details von der Arbeit des Scharfrichters zwischen Daumenschrauben, Streckbank und Richtschwert nicht zurückschreckte. Der Gedanke, dabei dem Leser zu viel zuzumuten kam ihm nie: »Wenn ich schreibe lebe ich förmlich in meinen Figuren. Ich hätte das vorher nicht für möglich gehalten, aber manchmal war ich beim Schreiben den Tränen nahe«, bekennt der Autor.
Doch trotz des tiefen Eintauchens in die Vergangenheit - im 18. Jahrhundert hätte Schittny, der von 1955 bis 1995 Inhaber der Mohren-Apotheke in Gütersloh war und viele Jahre an heimischen Krankenhäusern lehrte, nicht gern gelebt. »Wer damals, nicht zu den Privilegierten gehörte, war wirklich ein armes Schwein. Diese Zeiten wären mir doch zu rau gewesen«, sagt er.
Von rauen Zeiten könnte übrigens auch Schittnys nächster Roman handeln. Zurzeit bringt der rüstige 80-Jährige nämlich seine Erlebnisse aus seiner Kriegsgefangenschaft in Frankreich zu Papier, die mit einer dramatischen Flucht endete. »Ob etwas daraus wird, weiß ich jetzt noch nicht«, sagt Schittny. »Aber, wer weiß...«
Hans Richard Schittnys historischer Roman »Unehrlich geboren« (160 Seiten) ist im Karin Fischer Verlag, Aachen, erschienen und kostet 12,50 Euro.

Artikel vom 01.02.2005