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Das letzte Rennen ist gelaufen

Rudi Niggemeier verzichtet auf Iditarod -Êdramatische Rettung aus Schnee und Eis

Von Marion Neesen
Salzkotten (WV). Wenn Anfang März im hohen Norden Alaskas das berüchtigte Iditarod-Rennen gestartet wird, ist der Salzkottener Rudi Niggemeier nicht dabei. Sein Name steht zwar noch auf der Teilnehmer-Liste, doch der Salzkottener Autohändler hat das Unternehmen Iditarod abgebrochen. Dabei waren die Vorbereitungen für das schwierigste Schlittenhunde-Rennen der Welt schon getroffen.

Drei Jahre lang hatte Niggemeier auf diese strapaziösen 1150 Meilen akribisch hingearbeitet. Doch dann kam alles anders. Einschneidende Erlebnisse beim Training in Alaska haben Rudi Niggemeier eine schwierige Entscheidung treffen lassen: Er wird seinen Sport, den er zehn Jahre lang erfolgreich ausübte, aufgeben. Was war passiert ? Im Dezember war der Salzkottener nach Alaska aufgebrochen, um sich hier auf das traditionsreiche Rennen vorzubereiten. Es sollte sein erstes Iditarod sein. »Die Bedingungen waren diesmal von Anfang an äußerst schwierig«, erzählt Niggemeier, »Temperaturen unter 50 Grad sind auch in Alaska nicht unbedingt üblich.« Hinzu kam ein heftiger Blizzard.
In Cantville brach Niggemeier gemeinsam mit der einheimischen Team-Partnerin Kelley Griffin auf. Auf dem Denali Highway sollte es zur Mc' Laren-Lodge gehen. 170 Meilen wollten die beiden Teams unterwegs sein, etwa zwei Tage sollte der Trainingslauf dauern. »Wir hatten sehr viel Schnee auf der Strecke und kaum jemand war vor uns den Denali Highway gefahren«, berichtet der 53-Jährige, »die Temperaturen lagen zum Teil unter 50 Grad, das Wetter spielte einfach verrückt.« Außerdem waren Niggemeiers Huskies wohl nicht so gut drauf wie sonst. Von zehn Hunden fielen zwei mit Verletzungen aus. »Vielleicht habe ich auch das Team falsch zusammen gestellt«, sagt der erfahrene Musher (so heißen die Fahrer der Schlitten) selbstkritisch. Denn von seinen Stars nahm er nur vier mit, sechs Hunde wollte er testen.
Und so hatte sich der Zeitplan bereits nach hinten verschoben, der Proviant ging langsam zu Ende. Rund 40 Kilometer vor dem Ziel war es dann endgültig vorbei. Die Hunde wollten nach einer langen Steigung einfach nicht mehr weiter. »Ich konnte sie nicht mehr motivieren und entschied mich, sowohl den Hunden als auch mir Erholung zu gönnen«, sagt Rudi Niggemeier. Kelley Griffin war bereits voraus gefahren, so dass kilometerweit um den Salzkottener herum nichts als eiskalte Wildnis war. Zu diesem Zeitpunkt hatten Freunde am Ausgangspunkt jedoch schon eine Suchaktion gestartet. Drei Tage war Niggemeier überfällig, da wollten sie kein Risiko eingehen.
»Ich habe erst einmal Feuer gemacht, Wasser für die Hunde aufgetaut und auch mir selbst etwas zu essen gemacht«, berichtet der Salzkottener. Dann habe er eine Schneehöhle gegraben, um sich vor dem Wind zu schützen und sei in seinen Schlafsack geschlüpft. »Ich habe noch nie so gefroren«, gesteht Niggemeier, der leichte Erfrierungen an Füßen und Händen davontrug. Natürlich gehe einem in solch einer Situation so manches durch den Kopf. »Ich dachte: Es kann doch nicht sein, dass du hier jetzt nicht wieder rauskommst.« Und so kam es dann auch nicht: Ein Hubschrauber der Nationalgarde hatte das Team mit Wärmebildkameras ausfindig gemacht und aus der öden Wildnis gerettet.
Rudi Niggemeier wertet dieses Erlebnis in der Wildnis Alaskas als Fingerzeig wertet. »Ich war zwar nicht in Lebensgefahr, doch irgendwie ist das Vertrauen nicht mehr so richtig da. An ein solches Rennen wie das Iditarod muss man mit voller Begeisterung herangehen, da kann man sich nicht zwölf Tage lang verstellen,« begründet der Salzkottener Autohändler seine Entscheidung. Zwar habe er anschließend noch einige Tage trainiert, dann aber sei es endgültig gewesen. Seine Hunde hat er bereits verkauft oder bei anderen Mushern untergebracht, für ihn ist der Schlussstrich in Sachen Schlittenhunde-Rennen gezogen. »Natürlich habe ich ganz schön daran zu knacken, aber man muss auch realistisch sein, da hilft auch keine Gefühlsduselei.«
In seinem außergewöhnlichen Sport hat Rudi Niggemeier viel erreicht: Er war Deutscher Meister, siegte im vergangenen Jahr beim »Don Bowers Memorial Rennen« in Alaska und war 1999 in Lappland bester Mitteleuropäer. »Sachlich gesehen bin ich mit meiner Entscheidung zufrieden,« sagt Niggemeier, »aber natürlich hängt mein Herz auch weiterhin an diesem Land und an diesem Sport.«

Artikel vom 03.02.2005