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Ein »Herz« für behinderte Kollegen

Timken in Künsebeck bekommt Sozial-Oscar 2005 - Vorbildliche Integration

Von Klaus-Peter Schillig
Halle (WB). Die Kollegen sind auch als Betreuer gefordert, der Arbeitgeber muss zusätzliche Mittel in Ausbildung und Ausstattung stecken. Bei Timken in Künsebeck wird die Beschäftigung von geistig behinderten Menschen inzwischen so vorbildlich praktiziert, dass der Nadellager-Produzent gestern mit dem »Sozial-Oscar« ausgezeichnet wurde.

Vergeben wird der Preis alle zwei Jahre durch den Kreis Gütersloh und die »Gütersloher Stiftung für psychisch Kranke und geistig Behinderte«. Schirmherrin der Aktion ist Karin Miele, deren Unternehmen selbst eine Vorreiterrolle bei der Beschäftigung von Schwerbehinderten eingenommen hat. Sie würdigte in ihrer Laudatio vor allem die Tatsache, dass in Künsebeck trotz mehrfacher Gesellschafterwechsel und Personalabbau »an zahlreichen eingeschränkt leistungsfähigen Mitarbeitern über Jahre festgehalten« wurde.
Wie Integration im Werk Künsebeck, mit 794 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber in Halle, in die Tat umgesetzt wird, erfuhren Karin Miele, Vorsitzender Dr. Ulrich Kemper und Heike Pallmeier von der Gütersloher Stiftung sowie Barbara Oestersoetebier, die Psychiatrie-Koordinatorin des Kreises Gütersloh gestern bei einer Präsentation und einem Rundgang in den Werkshallen.
Schon vorher hatte sich eine siebenköpfige Jury, besetzt mit Vertretern aus Verwaltung, Wirtschaft und Medizin, bei Timken informiert und das Unternehmen aus sechs Bewerbern ausgewählt. Neben Timken waren noch die Schröder Schneidetechnik GmbH in Gütersloh, Uyar Präzisionstechnik in Steinhagen, Media Copy in Gütersloh, Marktkauf Gütersloh und Claas in Harsewinkel in die engere Wahl gekommen.
Als eines der ersten Unternehmen der Region hat der Künsebecker Betrieb eine Integrationsvereinbarung, in der festgeschrieben ist, was ohnehin schon seit langem praktiziert werde, wie Personalchef Frank Weller und der Schwerbehinderten-Vertrauensmann Martin Schubert erläuterten.
Garantiert wird der Erfolg vor allem durch die bei Timken praktizierte Gruppenarbeit. Für ihren behinderten Kollegen fungieren die übrigen Mitarbeiter der Gruppe nicht nur als Team, sondern auch als Betreuer, die häufig ein Auge auf die Arbeit des Kollegen werfen. Mögliche Minderleistungen des Teams gegenüber anderen werden ausgeglichen. Die Hilfe für die schwächeren Kollegen ist deshalb nicht nur lästige Pflicht, sondern Selbstverständlichkeit geworden, wie Martin Schubert stolz bilanzieren kann.
»Wir stellen nur den Rahmen, die Integration passiert vor Ort«, betonte auch Frank Weller die Verantwortung der Mitarbeiter und deren soziales Verständnis. Um Erfolg zu erzielen, werden auch externe Fachleute herangezogen. So lernte eine Mitarbeiterin die Gebärdensprache, um mit ihrer gehörlosen Kollegin aus der anderen Schicht eine problemlose Übergabe hinzubekommen. Und im Zuge der Integrationsvereinbarung ließen sich der Werks-Sanitäter und Schubert zu Ansprechpartnern für Sucht- und für psychische Erkrankungen ausbilden. Die 5000-Euro-Prämie des Sozial-Oscars will Timken übrigens in einen zusätzlichen Ausbildungsplatz für einen geistig behinderten Jugendlichen stecken.

Artikel vom 03.02.2005