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Leider keine
Patentrezepte

Job-Abbau und Wirtschaftsaufschwung

Rheda-Wiedenbrück (top). »Der Wirtschaft geht es besser, aber die Arbeitslosigkeit steigt«. Mit diesem scheinbar paradoxen Phänomen beschrieb der DGB Regionalvorsitzende aus Duisburg, Rainer Bischoff, beim Rinderwurstessen der Rhedaer SPD die prekäre wirtschaftliche Situation Deutschlands.

Die von SPD-Vorstandsmitglied Ralf Stubbe geleitete Podiumsdiskussion zum Thema »Explodierende Unternehmensgewinne - stagnierender Mittelstand - neue Armut durch Arbeitslosigkeit und Stellenabbau« lockte am Freitagabend knapp 30 Interessierte in die Gaststätte Münze. Neben dem gebürtigen Rhedaer Rainer Bischoff standen Michael Ebeling (ME Werbeagentur), der Betriebsratsvorsitzende Hubert Markmann von Westfalia Automotive sowie der Personalvorsitzende aus der Stadtverwaltung, Klaus-Dieter Schulze, auf dem Podium in der Münze.
In seinem Vortrag stellte Rainer Bischoff zunächst seine Meinung zur Problematik in der deutschen Wirtschaft vor: »Die Unternehmerverbände senken jetzt das Tarifniveau, weil es ihnen gut geht, um wieder herauszuholen, was sie in den 60-er und 70-er Jahren versäumt haben.« Als Hauptursache für diese Lage nannte der DGB-Regionalvorsitzende die Öffnung der Grenzen nach Osteuropa. Das Tarifniveau sei in Polen und Tschechien zumindest derzeit noch ein völlig anderes, mit dem Deutschland nicht konkurrieren könne. So stellt eine Produktionsverlagerung in die nahe gelegenen osteuropäischen Länder, im Gegensatz zu Ländern der dritten Welt, eine sehr lohnenswerte Maßnahme dar. Darüber hinaus erläuterte Bischoff die Schnelligkeit der Globalisierung, die den Strukturwandel in der Gesellschaft überfordere, sowie gesellschaftspolitische Gründe, die zur angesprochenen Situation beitrügen.
Die Kampagne der IG Metall, »Besser statt billiger, hält Rainer Bischoff für einen äußerst treffenden Lösungsansatz der komplizierten Problematik von Arbeitslosigkeit und Stellenabbau. »Unsere Arbeitsplätze müssen nicht billiger werden, sondern wir müssen zeigen, dass es eine hohe Bildung gibt, die zu qualitativ guter Arbeit führt. „Besser statt billiger“ muss die Stoßrichtung dieses Landes sein«, so der Gewerkschafter. Daneben vermisst Rainer Bischoff eine Vision der gesellschaftlichen Linken zwischen SPD und den Gewerkschaften, die sich in letzter Zeit, anstatt zusammenzuarbeiten, gegenseitig bekämpfe.
Klaus-Dieter Schulze von der Stadtverwaltung plädierte wie sein Vorredner noch einmal mit Nachdruck darauf, von einer Arbeitszeitverlängerung abzusehen und die bereits im öffentlichen Dienst vollzogene Verlängerung zurückzunehmen, da sie anstatt Arbeitslosigkeit zu bekämpfen nur zu mehr Stellenabbau führen würde.
Der These von Bischoff, die Unternehmer senkten heute ohne wirtschaftliche Not das Tarifniveau, unterstützte auch Hubert Markmann, Betriebsratsvorsitzender bei Westfalia. Die vielen Einsparungen, wie der Verzicht auf Urlaubsgeld, entstünden »aus dem heutigen Zeitgeist«. In seinem Betrieb habe man erreicht, dass das durch Kürzungen eingesparte Geld wieder hier in Rheda-Wiedenbrück investiert würde.
Michael Ebeling machte besonders auf den »riesengroßen Druck, der auf allen lastet«, aufmerksam und kritisierte gegenseitige Schuldzuweisungen von Unternehmern und Arbeitnehmern. Den von Rainer Bischoff zitierten Leitspruch der IG Metall (»Besser statt billiger«) hielt er ebenfalls für einen fortschrittlichen Lösungsansatz der Probleme.
Nach dem Rinderwurstessen waren alle Anwesenden dazu eingeladen, munter mit den Experten über die Problematik, für die es keine Patentrezepte gibt, zu diskutieren.

Artikel vom 01.02.2005