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Fotoporträts voller Leben

Gabriele U. Meyer beim Kunstverein

Von Andrea Pistorius
(Text und Foto)
Paderborn (WV). Wie aus Fotografien dreidimensionale Bilder werden, zeigt Gabriele Undine Meyer in einer Ausstellung des Kunstvereins Paderborn, in der es jede Menge zu entdecken und auch anzufassen gibt. Die Eröffnung findet morgen, 2. Februar, um 19 Uhr in der Städtischen Galerie am Abdinghof statt.

Alles beginnt mit alten Fotos von Personen, die längst nicht mehr leben: Herren mit Kaiser-Wilhelm-Bart, Knaben im Matrosenanzug und Damen in gerüschten Kleidern blicken dem Betrachter zumeist ernst, aber auch lächelnd entgegen. Meyer hat diese Bilder, die sie auf Flohmärkten oder in Antiquariaten entdeckt, abfotografiert und in der Dunkelkammer auf Pergaminseidenpapier projeziert, auf das sie zuvor Foto-Emulsion aufgetragen hat (dieser Bildträger ist unter dem Begriff Spinnwebpapier aus alten Fotoalben bekannt). Durch den sichtbaren Pinselduktus und die filigrane Struktur des Papiers erhalten die Porträts eine eigenwillige Oberfläche, die in lebendigem Kontrast steht zum früheren Glanz des Originals.
Aus diesen Porträt-Nachbildungen, die in der Größe und in der Tiefe des Schwarz-Weiß-Kontrasts variieren, entwickelt die Künstlerin aus Bielefeld nun Bilder und Installationen. So werden zum Beispiel drei großformatige Blätter, die denselben Gesichtsausschnitt einer Person zeigen, hintereinander in einen Stahlrahmen gehängt. Sie verdeutlichen in deutlicher Hell-Dunkel-Abstufung die Abschnitte eines Lebens oder die Schichten der Erinnerung.
»Es geht mir immer um Menschen, nicht um Landschaften«, sagt Gabriele Undine Meyer (50) und hängt an die hundert kleinformatige Porträts an straff gespannte Drahtseile in einem Ständer aus Stahl. Die abgebildeten Personen sind so von mehreren Seiten aus zu sehen, sie überdecken sich zum Teil, bewegen sich im Luftzug und gewinnen dadurch eine gewisse Lebendigkeit. Andere Porträts wurden in einem Riesen-Fotoalbum zusammengefasst, das der Betrachter durchblättern darf.
Im Obergeschoss der Galerie hat Meyer ein »Kinderzimmer« eingerichtet. Es besteht aus großformatigen Scherenschnitten von Kinderstühlen, die sie auf einer langen Wand montiert hat. Ringsherum hat sie ikonenhafte Kinderbilder arrangiert, die sie auf goldbemalte Holzblöcke projezierte. Im Raum dahinter werden aus Cranachs unschuldigen Madonnenbildern sündhafte Damen in Glutrot, die eine weitere Spielart ihres Dunkelkammerverfahrens mit anderen Farben und Materialien verdeutlichen.
(»Recall - Arbeiten zum Thema Erinnerung«, Galerie am Abdinghof, bis 28. März, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr)

Artikel vom 01.02.2005