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Karneval vor 80 Jahren

Heimatdichter Anton Riesel erinnert sich


»Winter, wie wir sie heute kennen, gab es früher nicht, da war Monate lang alles verschneit und die Kälte so stark, dass man im Walde die Bäume knacken hören konnte. Das Wild in Feld und Flur litt große Not und kam in hellen Nächten bis in die Dorfstraßen in der Hoffnung, etwas Fressbares zu finden. Der Förster war jeden Tag mit dem Schlitten unterwegs, um die Raufen im Walde zu füllen. Besonders der Fuchs, dessen Spuren man von einem Bauernhof zum anderen sehen konnte, kontrollierte die Geflügelställe, ob man auch nicht vergessen hatte, die Klappe zu schließen. Die Käuzchen flogen von einem Hof zum anderen auf die Böden durch das Eulenloch, das waren oben in der Giebelspitze ausgesparte Fluglöcher, um sich einige Mäuschen zu fangen, denn der Hunger war groß.
Wenn dann die Fastenzeit näher rückte, freuten wir uns auf den Rosenmontag und somit auf das Verkleiden mit alten Sachen und das Maskieren mit selbst gefertigten Pappmasken bunt bemalt. Die leeren Kartons hatten wir aus dem Dorfladen geholt. Schon seit Urzeiten war es Sitte, dass bei uns im Dorfe an den Karnevalstagen Montag und Dienstag das vierzigstündige Gebet gehalten wurde, als Vorbereitung auf die stille Zeit. Die Gebetsstunden wurden, nach Alter, männlich oder weiblich, auch wir Schulkinder gehörten dazu, aufgeteilt und wenn eben möglich eingehalten. Ich kann mich daran erinnern, dass einmal der Pastor wegen Kälte diese Gebetsübung abgebrochen hat, weil die Kirche, damals noch unbeheizt mit undichten Fenstern, Kältegrade hatte, dass dieses gerechtfertigt war. So waren es nur ein paar Stunden die am Montagnachmittag blieben für die alte Sitte des von Haus-zu-Haus-Ziehens und ein Liedchen singens. Belohnt wurden wir mit Äpfeln, Birnen - auch mal eine kleine Wurst und ein blankes, kleines Geldstück für die Spardose. Trotz allem waren wir zufrieden und glücklich. Vergleiche anstellen, wäre sicher müßig. Eine unbeschwerte, sorglose Kinderzeit war trotz allem unser.«
Anton Riesel

Artikel vom 04.02.2005