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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Christoph Freimuth


Einen Tag in der Woche frei von Arbeit und Pflichten, nicht atemlos herumhetzen müssen, sondern aufatmen können und das Geschenk des Lebens feiern. Ein Tag in der Woche nicht erschöpft vor dem Fernseher sitzen, sondern den eigenen schöpferischen Kräften Spielraum geben zur Entfaltung. Einen Tag in der Woche sich nicht zerstreuen müssen, sondern sich sammeln dürfen, um in Ruhe zu bedenken, was war und was ist und was wird. Einen Tag in der Woche der tickenden Uhr einen Streich spielen, sich der Tyrannei ihrer Zeiger entziehen, und sich Zeit schenken für das gemeinsame Frühstück, das Gespräch, gemeinsam etwas zu unternehmen und die Freude am Tag teilen zu dürfen.
Das sollte der Sonntag sein. Ein besonderer Tag, ein geschenkter Tag, ohne Arbeit, ohne Hetze. Nur die Wirklichkeit sieht oft anders aus. Da dröhnt der Staubsauger durch die Wohnung, es drängt dringend zu erledigende Post, oder man steht in einer nicht enden wollenden Blechlawine im Stau zum nächsten Freizeitpark. Wie oft wird sonntags das erledigt, was in der Woche liegengeblieben ist. Den Sonntag zu feiern ist eben nicht selbstverständlich. Darum braucht der Sonntag einen besonderen Schutz. Denn er ist von außen und innen bedroht.
Zur Rettung des Standortes Deutschland wird Sturm geblasen auf diesen Tag. Die staatlich verordnete Sonntagsruhe ist vielen ein Klotz am Bein, um international konkurrenzfähig zu sein. Für mehr Produktivität müssen die Maschinen durchlaufen, darf der Takt der Stechuhren nicht unterbrochen werden. Immer lauter werden auch die Forderungen nach verkaufsoffenen Sonntagen, um die Konjunktur zu beleben, damit die Leute Zeit haben, ihr Geld auszugeben, was sie gar nicht haben.
Aber auch innerlich ist der Sonntag bedroht. Wenn die Mehrheit der Bevölkerung nichts Besonderes mit diesem Tag anfangen kann, wird auch der Sonntagsschutz irgendwann fallen. Warum auch einen Tag besonders schützen, wenn viele nur Langeweile verspüren und eh das tun, was sie die ganze Woche über machen - einkaufen, arbeiten, sich abhetzen.
Es liegt also an jedem einzelnen, diesen besonderen Tag mit Inhalt zu füllen. Es lohnt sich für diesen Tag zu kämpfen, weil er eine großartige Erfindung für mehr Menschlichkeit ist.
Noch ist der Sonntagsschutz staatlich garantiert. Und das ist gut so. »Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt«, heißt es im Grundgesetz. Das ist keine tarifpolitische Arbeitszeitregelung, sondern ist Teil der staatlichen Garantie freier Ausübung der Religion.
In seinem Ursprung geht er auf das biblische Sabbatgebot zurück. Es erinnert die Gläubigen daran, dass Sinn und Wert ihres Daseins nicht von ihrer Produktivität abhängt. Der Mensch darf heraus aus den scheinbar unhinterfragbaren Funktions- und Produktionskreisläufen. Am Sonntag darf ich einfach Mensch sein. Der werktäglich ewig gleiche Ablauf wird durchbrochen und geöffnet auf den hin, der Herr der Zeit ist.
Menschenfreundlich ist der Sonntag, voller Rücksichtnahme gegenüber sich selbst, gegenüber anderen und der Schöpfung. In der Bibel wird der Ruhetag unter anderem mit der Schöpfung begründet. Der Mensch als Ebenbild des Schöpfers darf ruhen, wie Gott selbst, nachdem er die Welt geschaffen hat. Der siebte Tag ist eine göttliche Auszeichnung für den Menschen. Erst der Ruhetag vollendet die Schöpfung und somit auch den Menschen. Es lohnt sich, für diesen besonderen Tag zu kämpfen und ihn für sich selbst mit Inhalten zu füllen. Denn ohne Sonntag wäre unsere Gesellschaft ein gutes Stück unmenschlicher.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten und schönen Sonntag, gefüllt mit Lebenslust und Kreativität, mit vielen guten Begegnungen und Gedanken, um gestärkt in die neue Woche zu gehen.

Artikel vom 29.01.2005