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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Waldemar Harder


Der Psalm 23 ist wohl unumstritten die Perle aller Psalmen. Es ist ein unvergleichlich schönes Stück Poesie, das niemals übertroffen wurde. Aber wichtiger als die literarische Form ist ja für uns der Inhalt. Wie vielen Menschen hat Psalm 23 in den letzten dreitausend Jahren Trost und Kraft gegeben?
Es ist so, wie einmal jemand gesagt hat: Dieses göttliche Lied ist unter den Psalmen das, was die Nachtigall unter den Vögeln ist. Der Psalmdichter David beginnt sein Gebet mit den Worten: »Der Herr ist mein Hirte.« Er spricht von Gott als von einem Hirten. »Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.«
Hier ist ein kleines Wörtlein, ja ein Buchstabe, von enormer Bedeutung! David sagt nicht: der Herr ist ein Hirte, sondern der Herr ist mein Hirte! Auf diesen Buchstaben »m« kommt alles an. An ihm hängt unser zeitliches und ewiges Schicksal! Dann spricht David von verschiedenen Lebenssituationen. Ich würde wohl Mangel leiden, aber weil der Herr mein Hirte ist, kann er alle meine Bedürfnisse erfüllen.
So darf ein Christ heute auch sprechen, denn Jesus ist gekommen, um Leben im Überfluss zu bringen. Bei IHM findet er alles. Nicht weil er ein großes Bankkonto besitzt oder sehr tüchtig ist. Nein, sondern weil der Herr sein Hirte ist!
Vielleicht haben Sie nicht alles, was sie sich wünschen, aber Sie sagen mit David: »Mir wird nichts mangeln, denn Gott selbst wird ausfüllen all meinen Mangel.« Ja, das sind angenehme Jahre, wenn uns nichts mangelt. Wenn der Herr uns auf grünen Auen weidet, wenn er zu den frischen Wassern führt, wenn er unsere Seelen erquickt.
Aber es können auch andere Jahre kommen. Wie gut ist es dann, wenn wir auf den grünen Auen Kraft gesammelt haben. Die Schafe im Orient fressen am Morgen, wenn es noch kühl ist. Mittags wäre es viel zu heiß. Wenn sie am Morgen nichts zu sich nehmen, plagt sie am Mittag die Sonne von außen und der Hunger von innen. Aber wenn sie in den kühlen Morgenstunden Nahrung aufgenommen haben, können sie die Hitze des Tages überstehen.
David betet: »Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, so fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir.«
Bemerkenswert ist: Bevor David vom finsteren Tal spricht, betont er, dass der Herr auf rechter Straße führt. Er will damit sagen: Ja, auch das finstere Tal ist die rechte Straße! Gott verhindert nicht, dass die Todesschatten hereinbrechen, vielleicht im Bekanntenkreis, vielleicht in der Familie und eines Tages auch in unser Leben. Aber er will mitgehen. Es ist nicht leicht, wenn die Todesschatten kommen, und man die letzte Hand loslassen muss. Wohl dem, der dann sagen kann: »Denn du bist bei mir!«
Dann und nur dann hat der Tod sein Grauen verloren! Seitdem Jesus, der Sohn Gottes, für uns in die Todesschatten ging, unter den Zorn und das Gericht Gottes über unsere Sünde, seitdem dürfen Christen getrost an ihr Sterben denken.
Christ wird man nur durch Christus! Denn Christen sind Menschen, die ihre Schuld vor Gott erkannt und eingestanden haben. Sie sind umgekehrt von ihrem bisherigen Weg und haben Jesus Christus persönlich als ihren Retter und Herrn in ihr Leben aufgenommen. Er ist nun ihr Hirte geworden, dessen Stimme sie hören und dessen Fußstapfen sie folgen. Nur für solche Leute verliert der Tod sein Grauen. Dann sind es wirklich nur noch Todesschatten.
David betet: »Du salbst mein Haupt mit Öl, mein Becher fließt über.« Und dann schließt er mit den Worten: »Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.« Was für ein Vertrauen, welche Geborgenheit spricht aus diesen Worten!
David ist durch finstere Täler gewandert. Er hat im Angesicht seiner Feinde gelebt. Wie groß war jetzt die Gefahr des Verbitterns! Wie groß war jetzt die Gefahr, nur noch alles negativ zu sehen! Wie leicht hätte er resignieren können und sagen: »Das Leben ist schwer. Leid und Kümmernisse werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde immer geplagt sein..
David blieb bei dem Herrn auf den grünen Auen und auch im finstern Tal. Er blieb im Hause des Herrn. David blieb im Haus des Herrn also in der Lebensgemeinschaft mit ihm. Die Herde Gottes war seine Heimat.
Ich schließe mit einem Satz, den Dietrich Bonhoeffer kurz vor seiner Hinrichtung im KZ gesagt hat. »Jesus Christus weiß allein, wo der Weg hingeht. Wir aber wissen, dass es ganz gewiss ein über alle Maßen barmherziger Weg sein wird.«
Einen gesegneten Sonntag wünscht IhnenWaldemar Harder

Artikel vom 29.01.2005