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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrerin i.E. Uta Bültermann, Spradow


1000 Folgen ganz normaler Alltag. Seit über 20 Jahren. Das können wir am Sonntag erleben. Dann können wir die 1000. Folge der Lindenstraße im Fernsehen sehen.
Ganz normaler Alltag, der auch immer wieder soziale Fragen und Probleme gesellschaftlicher Randgruppen thematisiert hat. In der Lindenstraße wird nichts beschönigt. Wir sehen Licht und Schatten, wir bekommen sowohl die Boshaftigkeit als auch die Großartigkeit von Menschen vorgeführt.
Ganz normaler Alltag? Das nun doch nicht. Der Alltag dort wird uns in einer sehr verdichteten Form dargeboten. Die Scheidungs- und Sterberate, die Quote an Schicksalsschlägen und Problemen liegen vergleichsweise hoch. Was haben Hans und Anna nicht schon alles zusammen ausgestanden - Entführung, Scheidung, Probleme einer Patchwork-Familie, Erpressung - und immer noch kommen neue Themen hinzu. Oder werden Gaby und Andy zum zweiten oder dritten Mal wieder zusammenfinden?
Andererseits sehen wir Menschen beim Einkaufen zu, sehen sie am Stammtisch sitzen oder beim Frühstück. Ganz normal. Das kennen wir auch. Auch wir sprechen gern über alltägliche Dinge, übers Wetter, über die Nachbarn, wann man mal wieder ins Kino gehen kann oder wohin der nächste Urlaub führt.
Alltägliche Gespräche sind wichtig. Sie bauen Beziehungen und Vertrauen auf. Sie bilden das Fundament, auf dem man dann über das sprechen kann, was einen persönlich bewegt: Angst über die Zukunft, meine Hoffnung, meine Zweifel.
In solchen Alltagsgesprächen sprechen wir über das, was uns unbedingt angeht - auch über unseren Glauben. Manchmal sind es nur Momentaufnahmen, manchmal ergeben sich lange Gespräche. Solche alltäglichen Gespräche gehören zum Glauben, zur Theologie dazu. Man kann das Alltagstheologie nennen.
Oft erscheint das Gespräch am Kaffeetisch, am Gartenzaun oder im Supermarkt viel zu klein und unbedeutend, als dass es da auch um Themen wie Gott gehen könnte.
Doch gerade in diesen Momenten, wenn ich mich wohl fühle, wenn ich meine Erfahrung einbringen kann, dann mag ich mich eher öffnen und das erzählen, was mir wichtig ist.
Die Lindenstraße gibt es nur sonntags. Wir leben, handeln und reden jeden Tag »in echt«. Ganz normale Gespräche ohne Drehbuch. Aber mit Herz und Verstand. Und Gott ist auch dabei, ganz normaler Alltag eben.

Artikel vom 29.01.2005