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Plädoyer für mehr Erziehung

Petra Gerster und Christian Nürnberger eröffneten das VHS-Semester

Von Jürgen Vahle (Text und Foto)
Borgentreich (WB). Mit einem launigen, aber hintergründigen Vortrag haben die Fernseh-Journalistin Petra Gerster und ihr Ehemann Christian Nürnberger gestern Morgen in der Borgentreicher Stadthalle das neue Volkshochschulsemester eröffnet. Mehr als 500 Zuhörer folgten ihren Ausführungen, die ein Plädoyer für eine bessere Erziehung und Bildung der Kinder waren.

Auf 99 Lesereisen in ganz Deutschland hat das in Mainz lebende Ehepaar die Thesen ihrer beiden Bücher »Erziehungsnotstand. Wie wir die Zukunft unserer Kinder retten« und »Stark für das Leben - Wege aus dem Erziehungsnotstand« bereits vorgetragen. Der gemeinsame Auftritt in der Orgelstadt war der 100. und soll vorerst der letzte gewesen sein. Das Autoren-Paar will sich in Zukunft nach eigenem Bekunden wieder mehr auf das Schreiben konzentrieren.
Schade, mögen sich da die Besucher, die gestern Morgen in Borgentreich waren, denken. Denn die Art und Weise, wie die Autoren ihre Thesen vertraten, regte nicht nur zum Nachdenken an, sondern war auch höchst amüsant. Das Wechselspiel zwischen der Moderatorin der Nachrichtensendung »Heute« und ihrem Ehemann (mit einer satten Portion fränkischem Humor ausgestattet) klappte hervorragend. Dass die beiden seit 20 Jahren verheiratet sind, zwei Kinder haben und sich aus dem »Effeff« kennen, wurde schnell deutlich.
In den entscheidenden Punkten waren sich die 49-jährige Gerster und ihr 53 Jahre alter Ehemann einig: Eltern müssen ihren Kindern wieder die Aufmerksamkeit geben, die sie brauchen. Mütter und Väter sollten ihre Kinder lehren, wie man lebt - »und das geht nur, wenn man miteinander lebt«, erläuterte Christian Nürnberger. Kinder, die vor dem Fernsehen, Video oder der Playstation verdummen und vereinsamen, dürften nicht hingenommen werden.
Die Familie sei in den vergangenen Jahren von der Politik fast vergessen worden, machte Petra Gerster deutlich. Wer einen Ausweg aus dem PISA-Dilemma suche, müsse aber nicht nur in den Schulen, sondern auch dort beginnen. Eine gute Erziehung, Allgemeinbildung und das nötige Selbstvertrauen - kurz: eine stabile Persönlichkeit - könne sich nur im »Nest der Familie« herausbilden, machten die beiden Referenten deutlich.
Dies müsse keine Rückkehr ins alte Rollenmuster der Familien bedeuten, bei der die Frau am Herd steht und der Mann das Geld verdient. Das Ehepaar Gerster/Nürnberger ist selbst einen neuen Weg gegangen. Christian Nürnberger hat nach der Geburt seiner Tochter seinen Beruf aufgegeben und arbeitet heute als freier Journalist von zu Hause aus. Vor allem aber müssten mehr Kinderhorte und -krippen entstehen - nicht nur, um die Mütter zu entlasten, sondern um die Kinder so früh wie möglich in sozialen Kontakt mit anderen zu bringen. Das gute Abschneiden Finnlands in der PISA-Studie liege auch darin begründet, dass es dort diese Betreuungsangebote gebe, erläuterte Petra Gerster.
Aufgabe der Familie sei es, Kindern Werte zu vermitteln. In der Familie müssten Kinder lernen, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Das Ergebnis der PISA-Studie könne nur lauten: »Wir dürfen unsere Kinder nicht weiter so gedankenlos aufwachsen lassen«, sagte Petra Gerster.
Diesen Appell hatten sich gestern Morgen offensichtlich auch die Verantwortlichen zu Herzen genommen. In der Küche der Stadthalle hatte Borgentreichs Bürgermeister Bernhard Temme eine Kinderbetreuung einrichten lassen. Sie wurde gut angenommen - ebenso wie die anschließende Autogrammstunde mit den beiden Autoren und eine Diskussionsrunde, bei der die Besucher Fragen stellten.

Artikel vom 31.01.2005