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Von Manfred Stienecke

Paderborner
Perspektiven

Etikett der »Billig-Uni« droht


Mit erstaunlicher Gelassenheit hat man im Rektorat der Paderborner Universität auf das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgericht zur Zulässigkeit von Studiengebühren reagiert. Dabei birgt die Entscheidung der Karlsruher Richter bildungspolitischen Sprengstoff, der schon bald auch auf dem Schreibtisch von Rektor Nikolaus Risch explodieren könnte. Selbst wenn nach den Landtagswahlen im Mai die rot-grüne Regierung im Amt bleiben sollte, die das Erststudium auch weiterhin zum Nulltarif anbieten möchte, dürfte das nunmehr gekippte bundesweite Verbot zur allgemeinen Einführung von Studiengebühren den Hochschulleitungen in NRW mehr Kopfzerbrechen bereiten, als sie dies momentan noch wahr haben wollen.
Sobald die ersten Bundesländer einen Obolus von ihren Studenten verlangen - Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg und Niedersachsen hocken bereits in den Startlöchern -, wird ein merkwürdiges Hase-und-Igel-Spiel beginnen. Wer sich die Studiengebühren leisten kann - im Gespräch sind bislang zumeist 500 Euro pro Semester, Spanne nach oben offen -, wählt die arrivierten Wissenschaftsschmieden beispielsweise in München, Heidelberg und Göttingen. Wer's nicht so dicke hat, muss sich nach preiswerteren Universitäten umsehen. Und die stehen dann vorwiegend in den rot-grün regierten Ländern.
Der drohende Akademiker-Tourismus trifft die gebührenfreien NRW-Hochschulen gleich doppelt unvorbereitet: Sie müssen ihre Lehrkapazitäten, die heute schon in vielen Fächern extrem angespannt sind, erweitern und erhalten dafür nicht einmal mehr Geld, während die »teuren« Unis in den unionsregierten Ländern ihre sozial besser gestellte Klientel mit gebührenfinanzierten Extras verwöhnen können.
Bevor die finanziell ohnehin kränkelnden NRW-Hochschulen vollbesetzt auf Grund laufen, werden sie die Schotten »dicht« machen müssen. Ob und wie die betroffenen Universitäten ganz individuell auf die zu erwartende Studentenschwemme reagieren können, ist noch völlig unklar. Die Hoffnung jedenfalls, sich den Großteil der Studierwilligen in Zukunft selbst aussuchen zu können, ist trügerisch. Möglicherweise macht das Bremer Beispiel Schule: das dortige Ministerium denkt darüber nach, das Studium nur für die eigenen Landeskinder kostenfrei zu halten und von »Bildungs-Immigranten« aus anderen Bundesländern Gebühren zu verlangen.
Statt bundeseinheitlicher Transparenz im Hochschulwesen bahnt sich ein undurchdringliches Gestrüpp von Einzelverordnungen und -gesetzen auch über Darlehen und Rückzahlungsmodalitäten an, das den Hochschulstandort Deutschland ganz sicher nicht attraktiver macht. Und für die sehnlichst erwünschte Anerkennung vieler Unis gerade in NRW als »Exzellenz«-Zentren sieht es angesichts des Gebühren-Nebels wahrlich trübe aus. Klarere Sicht nach vorn verspricht die politische Opposition. Die NRW-CDU hat schon deutlich gemacht, dass sie im Falle der Regierungsübernahme Studiengebühren einführen werde. Damit entfiele auch für Paderborn zumindest das sonst drohende Etikett einer »Billig-Universität«.

Artikel vom 29.01.2005