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Raus aus der Schuldenfalle

AWO bietet als erste Einrichtung in OWL Bauschuldnerberatung an

Von Per Krüger (Text und Foto)
Löhne-Bahnhof (LZ). Im Januar standen ostwestfalenweit 600 Objekte vor der Zwangsversteigerung. Um es möglichst nicht so weit kommen zu lassen, bietet die Arbeiterwohlfahrt in Löhne seit Jahresbeginn eine spezielle Bauschuldnerberatung an. Und dies in OWL einzigartig.

Der Traum vom eigenen Haus steht und fällt mit einer soliden Finanzierung. »Die vielen Finanzierungsangebote sind für Laien aber nicht immer durchschaubar«, sagt Gundolf Meyer. Der Diplom-Betriebswirt arbeitet seit 1999 bei der Schuldnerhilfe Köln, die sich als erste Einrichtung in Deutschland dem Thema Bauschuldnerberatung widmete und nun mit der Arbeiterwohlfahrt in der Werrestadt kooperiert. »Viele Menschen, die in eine solche Situation kommen, leisten Konsumverzicht an allen Ecken und Kanten, um das Haus irgendwie zu halten« - doch ohne professionelle Hilfe allzu oft vergeblich.
Acht Haushalte haben in den vergangenen vier Wochen Rat bei Regine Stoller-Wegener, Susanne Niebuhr und Klaus Nordsiek gesucht. Darunter ist auch der Fall eines krankheitsbedingten Frührentners, der sich mit seiner Frau 2003 den Traum eines Eigenheimes erfüllt hat. Mittlerweile hat sich das Glück in einen Alptraum verwandelt. »Seine Frau ist kurze Zeit später arbeitslos geworden und hat anschließend versucht, sich selbstständig zu machen«, schildert Meier. Der Versuch der Selbstständigkeit scheiterte und endete in einem Schuldenberg von 15 000 Euro. Nun muss die vierköpfige Familie von 1 800 Euro leben, und davon gehen allein für die Finanzierung des Hauses knapp 900 Euro ab.
»Durch Umschuldung bei günstigen Zinsen oder Gesprächen mit den Schuldnern versuchen wir in solchen Fällen, das Eigenheim zu halten«, erklärt Gundolf Meyer. In vielen Fällen suchen Betroffene aber viel zu spät Hilfe, und stecken dann bereits mit dem Kopf in der Schuldenschlinge. »Wenn es damit beginnt, dass die laufenden Kosten nicht mehr bezahlt werden können und das Girokonto überzogen wird, rate ich dringend dazu, das Gespräch mit der Hausbank zu suchen und die Problematik offenzulegen«, sagt der Diplom-Betriebswirt. »Schließlich haben ja auch die Banken ein Interesse daran, den Kunden zu behalten«, warnt Regine Stoller-Wegener, die ausgebildete Sparkassenbetriebswirtin ist, vor falscher Scham.
In etwa 30 Prozent seiner Fälle konnte Meyer verhindern, dass die Betroffenen ihre Immobilie verkaufen mussten. Den restlichen 70 Prozent rät er zum Verkauf, um den Schaden so gering wie möglich zu halten. »Denn eine Zwangsversteigerung ist die schlechteste aller Lösungen«, sagt er. Nicht selten stehen dann die Betroffenen mit 50 000 Euro oder mehr Schulden da. »Unsere Aufgabe ist es, diesen Menschen eine Perspektive aufzubauen. Die Privatinsolvenz ermöglicht nach sieben Jahren einen schuldenfreien Neustart.«
Trotz der zunehmenden Zahl an Zwangsversteigerungen - 2004 waren es bundesweit etwa 50 000 - rät Gundolf Meyer nicht grundsätzlich vom Hausbau ab. »Das kann gerade auch als Altersvorsorge durchaus sinnvoll sein. Aber nur dann, wenn man sich im Vorfeld intensiv mit der Finanzierung beschäftigt hat und Veränderungen der persönlichen oder familiären Situation einkalkuliert.«

Artikel vom 28.01.2005