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Bei »Öpäpä« Klingelmännchen gemacht

WV-Serie »Delbrück gestern und heute« - Der Kirchplatz hat sich baulich kaum verändert

Von Jürgen Spies
Delbrück (WV). Ein städtebauliches Kleinod ist der historische Kirchplatz in Delbrück mit seinem Ensemble alter, gut erhaltener und teilweise denkmalgeschützer Häuser. In der Innenstadt gibt es keinen anderen Bereich, dem die Zeit des baulichen Wandels so wenig anhaben konnte, was auch daran liegen mag, der der Kirchplatz für den Fahrzeugverkehr gesperrt ist. Im heutigen Teil der WV-Serie »Delbrück - gestern und heute« geht es um den nordwestlichen Teil des Kirchplatzes.

Der Blick auf die beiden Bilder damals (1939) und heute verrät, dass es am Kirchplatz in den vergangenen 65 Jahren keine gravierenden Veränderungen gab - zum Glück, möchte man meinen.
In der alten Aufnahme ist links das Haus Bröckling (Café Bröckling; Brinkmann, Schlüter) zu erkennen. Viele Jahrzehnte beherbergte das Haus die Bäckerei, eine Gaststätte sowie besagtes Café.
Nicht wenige Delbrücker Kinder, die früher von der Kleine Straße oder der Adolf-Kolping-Straße kommend zum Kirchplatz wollten, nutzten dazu eine Abkürzung: Längs durch Bröcklings Hausflur! Für manche Steppkes war es sogar eine Selbstverständlichkeit, durch Bröcklings Flur zu laufen - Wegerecht sozusagen. Irgendwann wurde die kurze Verbindung dann überbaut und Bröcklings hatten Ruhe.
Das nächste Fachwerkhaus im Bild: Kösters-Hüls. Im vorderen Teil war ein Lebensmittelgeschäft, hinten raus gab's eine Schankwirtschaft, die - wie viele andere auch - nach dem Kirchgang und/oder bei kirchlichen Festen besonders gut besucht war.
Ein Haus weiter rechts: Meintrup (heute Kiko). Vorn zum Kirchplatz hin betrieb Meintrup ein Uhrengeschäft, hinten im Gebäude, lang durch den Flur, kümmerten sich Meintrups Schwestern (»Kätzchen«) um den Ausschank in der Gaststätte. Das Haus Meintrup war für etliche Delbrücker Kinder immer wieder Schauplatz einer Klingelmännchen-Mutprobe. Genau genommen wurde aber nicht geschellt, sondern geklopft. An Meintrups Haustür war ein geschwungener Metallbügel angebracht, ein richtiger Haustürklopfer. Und wenn die Kinder dann klopften und dazu noch laut »Öpäpä« riefen, kam Meintrups Öpäpä schon mal hinterher gerannt - die Kinder wetzten los, hatten Angst, fanden die ganze Sache aber auch aufregend und deshalb irgendwie schön.
Etwas weiter, auf dem alten Bild kaum zu sehen (weil zurückliegend) das Anwesen von Karlchen Epping mit Gaststätte und Lebensmittelverkauf.
Jenseits der Gasse zur Lange Straße hin ging es mit dem stattlichen Massivbau der Knabenschule weiter. Markant: Eine Säule am Eingangsportal. Das Haus beherbergte zeitweise die Amtssparkasse und ist nach Umbau seit vielen Jahren Domizil der Kreuz-Apotheke.
Weiter ist ein flacher Zwischenbau samt Schaufenster auf dem Foto zu erkennen. Nach dem Krieg gab es hier eine Tauschzentrale, die im wesentlichen so funktionierte: Waren gegen Naturalien.
Der »Ur«-Delbrücker Hans-Josef Wessels, der wieder das alte Foto leihweise zur Verfügung stellte und manche Information zum Erstellen des Textes gab, kann sich noch gut erinnern, das eines Tages ein roter Lederball in der Auslage der Tauschzentrale lag. Ein richtiger Lederball! Für Delbrücker Jungs war das damals eine kleine Sensation. Sie drückten sich an der Schaufensterscheibe die Nase platt. Und für Hans-Josef Wessels stand damals fest: Den Ball muss ich haben! Als er den Ball dann tatsächlich einlösen konnte, wurde stundenlang gepöhlt. Einmal war Hans-Josef aber den ganzen Tag zum Zuschauen verdammt: Größere Jungs hatten ihm den Ball abgenommen und Hans-Josef an einen Baum gebunden. Zum Glück bekam er abends das Leder wieder.
Rechts im alten Foto: das dreieinhalbgeschossige Haus Lewerken (Pumann), ein für damalige Delbrücker Verhältnisse großes Geschäft (Eisenwaren) mit Fahrradhandel zum Kirchplatz hin (heute teilweise Arztpraxen).
Der Kirchplatz selbst diente bis Mitte des 19. Jahrhunderts als Friedhof, wurde aber, als der Platz nicht mehr ausreichte, zur Ostenländer Straße verlegt. Dass der Friedhof unmittelbar an der Kirche vermutlich Jahrhunderte lang genutzt wurde, wird daran deutlich, dass bei Erdarbeiten und Umbaumaßnahmen in jüngerer Vergangenheit immer wieder mal Gebeine ans Tageslicht kamen.
Das alte Foto, 1939 aufgenommen von Cramers Kunstanstalt (Dortmund), zeigt außerdem, dass auf dem Kirchplatz nur die Wege befestigt waren. Der Rest war mit einem rötlichen Feinsplitt bedeckt, Regenwasser sammelte sich auf dem ganz leicht abschüssigen Terrain in Rinnen.

Artikel vom 26.01.2005