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»Zappel-Zwerg« sprengt die Bühne

Comedian Bernhard Hoëcker bestätigte in Gütersloh, dass kleine Leute laut sind

Gütersloh (WB). Kleine Leute müssen mangelnde Größe wohl durch laute Töne kompensieren. Am Dienstagabend bestätigte Deutschlands wohl winzigster Comedian Bernhard Hoëcker diese Binsenweisheit in der Gütersloher Stadthalle einmal mehr eindrucksvoll.

Eigentlich kennt man Hoëcker vornehmlich als Zwerg mit spitzer Zunge, der sich bei »Sat 1« in Hugo Egon Balders Fremdwort-Ratewettbewerb »Genial daneben« gegen andere Promis wie Hella von Sinnen, Wigald Boning, Olli Dittrich oder Bastian Pastewka durchzusetzen weiß. Dass die Kollegen, obwohl sie am selben TV-Tisch hocken, immer eine Etage höher zu sitzen scheinen, gleicht Bernhard Hoëcker elegant mit verbaler Schlagfertigkeit aus. Eben klein - aber oho!
Sein neues Solo-Bühnenprogramm »Hoëcker, Sie sind raus« mit dem selbstironischen Untertitel »Comedy vom Kleinsten« bewies den 350 Zuschauern im gut gefüllten Kleinen Stadthallensaal jedoch, dass in dem - nach eigenem Bekunden - nur 1,59 Meter großen Sprechtalent auch jede Menge körperliche Power schlummert. Nachdem zunächst nur die Technik für ohrenbetäubende Ankündigungsmusik und einen bunten Lichtkegel auf der Bühne gesorgt hatte, Hoëcker aber - als ersten Gag - fernab des erzwungenen Fokus lediglich durch die Nebentür hereinstürzte, legte der »Mini-Meister« persönlich los.
Wie schwungvoll und lebendig der 34-Jährige durch die Gegend zappelt, bekam selbst die eigentlich stabile Bühne zu spüren: Angewärmt durch eine Blödelei zum Thema »Moderne Kommunikation zwischen Mann und Frau«, kam Hoëcker bei einer tänzerischen Live-Performance so richtig in Fahrt. Beim Luftgitarrespielen zu seiner persönlichen Lieblingsmusik Heavy Metal (»Da fühlt man sich männlicher - sprich größer«) sprang der Alleinunterhalter derart wild umher, dass ihm tatsächlich ein herausgebrochenes Stück Holz-Parkett entgegensauste.
Das hätte Hoëcker lieber nicht tun sollen, schließlich entpuppte sich seine Bühne später als überlebenswichtige Rückzugszone. Während der Komiker durch die Zuschauerreihen schritt und sich über in seiner Gegenwart auftretende Scham und Schüchternheit der Otto-Normal-Bürger lustig machte (»Niedlich, wie nervös Ihr immer werdet«), erwischte der Mikro schwingende Provokateur nämlich ein für ihn äußerst ungünstiges Zuhörer-Exemplar: Ein 1,92-Meter-Riese sprang auf und stellte sich dem verdutzten Hoëcker in Angriffshaltung gegenüber. Um mindestens dreieinhalb Köpfe unterlegen, ergriff dieser wiederum »klein mit Hut« die Flucht in Richtung Bühne - dahin konnte und wollte ihm schließlich niemand folgen.
Dass der Gast ihm kurzzeitig die Show gestohlen hatte, überspielte der Künstler durch anerkennendem Applaus für die Spontaneität des »Stehauf-Mannes« sowie mit Hoëckers beißender Lache. Die begleitete seine eigene Show unaufhörlich und war mindestens so gewöhnungsbedürftig wie viele seiner Witze. Besonders die älteren Besucher empörten sich nach der Show über so einige Obszönitäten und den schwarzen Humor unterhalb der Gürtellinie.
Den verstorbenen Roy Black mit diesen typischen hautlosen Horror-Figuren auf Heavy-Metal-Shirts zu vergleichen (»Der Black sieht mittlerweile bestimmt genau so aus«), ist ebenso geschmacklos wie der Reim über ein explodiertes Atomkraftwerk im Kaukasus. In Momenten der Lichtdämmung hätte man deshalb meinen können, da vorne stünde der selbsternannte »Drecksack« Ingo Appelt.
Klasse hingegen Bernhard Hoëckers Imitationsgabe. Das Fabelwesen Gollum aus »Herr der Ringe« beherrschte er - nicht nur aufgrund der äußerlichen Ähnlichkeit - ganz hervorragend. Sensationell aber die Erzählung von Hänsel und Grethel in den Variationen als Sportreporter (»Und da knallt die Hexe in den Ofen - ein Sonntagsschubs von Gretel«), der Pilot (»Im Ofen sind es angenehme 360 Grad, liebe Passagiere«) und der schreiende Losbuden-Besitzer. Davon hätte man sich während der zweistündigen Vorstellung einfach mehr gewünscht. Marco Purkhart

Artikel vom 27.01.2005