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»Ohrenbeißer« fahnenflüchtig: Prozess platzt

Jolmes fordert »ex gratia«-Zahlung

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Wenn britische Soldaten außerhalb ihres Dienstes Leute verprügeln oder Autos demolieren, ist es für die Opfer oft schwierig, Schmerzensgeld oder Schadenersatz zu bekommen. Zuständig für die Schadensregulierung nach dem NATO-Truppenstatut ist meistens die Schadens-Regulierungsstelle des Bundes mit Sitz in Soltau.

Sie zahlte unlängst einer jungen Frau, die von einem britischen Soldaten sexuell belästigt worden war zumindest 5000 Schmerzensgeld. Eine Zahlung »ex gratia« - ohne rechtliche Verpflichtung.
In anderen Fällen werde diese freiwillige Leistung indes verweigert, kritisiert Rechtsanwalt Dr. Andreas Jolmes. Er nennt den Fall eines Kellners, dem zwei Randalierer das Auto demolierten. »Der Mann hat Familie und verfügt nicht über die finanziellen Mittel, die Reparatur zu bezahlen, doch das Amt rührt sich nicht.«
Ob und in welcher Höhe Geschädigten eine freiwillige Zahlung angeboten werde, »liegt ausschließlich bei der Dienststelle der britischen Streitkräfte«, heißt es in einem Schreiben der Behörde. »Für Schadensfälle, die sich in der Freizeit der Soldaten zutragen, haften diese nämlich persönlich und nicht die Entsendestaaten.« Eine zivilrechtliche Haftung der Streitkräfte sei nicht gegeben.
Und wenn der Täter nicht greifbar ist, hat das Opfer eben Pech.
Wie jener 32-jährige Paderborner, dem im August vergangenen Jahres in der Zentralstation ein Brite das Ohr abbiss. Der Mann hatte sich eingeschaltet, weil der Brite und ein Kamerad zwei Mädchen belästigt hatten. Eigentlich war der Streit längst beigelegt. Der Soldat Jason W. (25) sollte sich in Kürze vor einem Militärgericht verantworten. Der Prozess scheint nun jedoch zu platzen, weil der Täter angeblich fahnenflüchtig ist.
Rechtsanwalt Jolmes fordert für seinen Mandanten 25 000 Euro Schmerzensgeld. »Er hat nur noch ein halbes Ohr, ist stark entstellt und psychisch schwer angegriffen.« Wenn bei dem Soldaten schon nichts zu holen sei, »müssten die Briten in einem so gravierenden Fall zumindest aus moralischen Gründen 'ex gratia' eine Entschädigung zahlen«, meint Dr. Jolmes.
Trotz der offensichtlichen Probleme rät Verbindungsoffizier Ian Grant: »Geschädigte sollten auf jeden Fall einen Anwalt einschalten und sich über mein Büro bei der Schadensregulierungsstelle Soltau melden«. Grant ist unter der Telefonnummer 0 52 51/28 25 78 zu erreichen.
Auskunft darüber, ob und in welcher Höhe vergangenes Jahr Entschädigungszahlungen nach dem NATO-Truppenstatut geleistet wurden, war in Soltau übrigens nicht zu bekommen.

Artikel vom 27.01.2005