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»Oft reicht eine ruhige Atmosphäre«

Roswitha Sokolowsky hilft, als Schiedsfrau Streitigkeiten beizulegen

Von Astrid Pinske
Löhne (LZ). Das menschliche Miteinander wird häufig von Missverständnissen, gedankenlosen Rücksichtslosigkeiten und Konflikten geprägt. Oftmals entwickeln sich aus eher unbedeutenden Ursachen große Streitigkeiten. Bevor die Kontrahenten jedoch wegen einer Nichtigkeit eine 30-jährige Freundschaft beenden oder wegen eines Betrages von 68 Euro vor Gericht ziehen, stehen ihnen die vier Löhner Schiedsleute als Vermittler zur Seite.

»Viele Menschen benötigen einfach nur eine ruhige Atmosphäre und eine neutrale Person, die das Gespräch zwischen ihnen moderiert, um einen Konflikt zu bereinigen«, weiß Roswitha Sokolowsky. Bereits seit 1993 hilft sie - zunächst als Stellvertreterin, seit 1996 als vom Stadtrat gewählte und vom Amtsgericht Oeynhausen vereidigte Schiedsfrau - den Bürgern, außergerichtlich Streitigkeiten beizulegen. Dabei wurde sie mit vielen Situationen konfrontiert, die großes psychologisches Einfühlungsvermögen erfordern.
Denn die bürgerlich-rechtliche Gesetzgebung sieht vor, dass alle Nachbarschaftsstreitigkeiten sowie alle Forderungen bis zu einem Streitwert von 600 Euro zunächst von den - von Richtern geschulten - Schlichtern verhandelt werden. Ob es um das Entfernen von Unkraut geht, offene Rechnungen von langjährigen Kunden oder die Überlassung eines Kleides durch das ehemalige Mitglied einer Tanzformation: Die Schiedsleute sind nicht nur siegelführende Streitschlichter, deren protokollierte Vereinbarungen rechtlich vollstreckbar sind - sie sind auch Diplomaten. Dabei setzen Roswitha Sokolowsky (zuständig für Löhne-Ort/-Bahnhof), Friedrich Greimann (Mennighüffen), Friedrich Wilhelm Hanke (Gohfeld/Melbergen) und Eckhard Twelsiek (Obernbeck) eine 178 Jahre alte preußische Tradition fort.
Der Beschuldigte erhält eine Vorladung zum Gespräch.  Oft gelingt es, die Kontrahenten dabei ohne eine schriftliche Vereinbarung zu versöhnen. So einigten sich zwei Pferdehalter vor Sokolowskys Augen per Handschlag. Auch zwei Nachbarn versöhnten sich an ihrem Küchentisch: Der eine fühlte sich verletzt, als sein bester Freund ihm eine verkohlte Bratwurst anbot. Nach monatelangem, aggressiver werdendem Streit schüttete dieser schließlich dem Nachbarn einen Eimer Wasser über den Kopf. »Die beiden hatten den ursprünglichen Anlass für ihre Auseinandersetzung, die Wurst, bereits komplett vergessen«, sagt die Schiedsfrau und schmunzelt.
Ihre oft nervenaufreibende Tätigkeit versieht Roswitha Sokolowsky wie all ihre Kollegen auch nahezu ehrenamtlich. »Bei einer Einigung zahlen die Beteiligten 25 Euro, kommt es zu keiner Übereinkunft, zehn Euro. Das Geld führen wir an die Stadt ab. Davon erhalten wir 50 Prozent.« So bekam sie für den stundenlangen Streit mit einem 86-Jährigen, der seinen Nachbarn das Rauchen in dessem eigenen Garten untersagen wollte, weil er sich krebsgefährdet sah, nur fünf Euro. Und das, obwohl er sie sogar attackierte und zu Boden riss.
»Vielfach bringen wir die Kontrahenten allerdings im Rahmen so genannter ÝTür-und-Angel-FälleÜ zu einer Verständigung. Diese Verhandlungen tauchen überhaupt nicht in den Protokollen auf«, erzählt Roswitha Sokolowsky. »Das macht dann richtig Spaß«, freut sie sich über diese zwischenmenschlichen Erfolge.
l Bürger, die die neutralen Schlichtungsdienste in Anspruch nehmen möchten, können sich bei der Stadt 0 57 32 / 10 00, der Polizei, & 0 57 32 / 1 08 90, oder dem Amtsgericht, & 0 57 31 / 15 80, nach dem zuständigen Ansprechpartner erkundigen.

Artikel vom 22.01.2005