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Von Bernhard Liedmann

Paderborner
Perspektiven

Schule ermöglichen


Bei der Durchsetzung des Schulzwangs ist der Kreis Paderborn zwar zu verstehen, die Rechtsstaatlichkeit für alle Bürger gleichermaßen durchzusetzen, doch musste es soweit kommen? Nicht nur die sieben baptistischen Familien haben Probleme mit dem Unterricht an den zumeist weltlichen Schulen im Kreis Paderborn. Offiziell wird es keine Schule bestätigen, aber viele Kinder werden aus Unterrichtsteilen fern gehalten, die der religiösen Überzeugung der Eltern widerspricht. Dauerkonflikte sind vorprogrammiert. Über den Tellerrand geschaut, gibt es doch offenbar Lösungen direkt in der Nachbarschaft. Allein der Christliche Schulverein Lippe unterhält sechs staatlich anerkannte Schulen (Grund-, Haupt- und Gesamtschule) in der Region. Im Bielefelder Raum gibt es ebenfalls drei Schulen, die christlich im Sinne der Freikirchen ausgerichtet sind.
Im Kreis Paderborn sind 65 Grundschulen vorhanden, die wenigsten sind davon katholisch oder evangelisch ausgerichtet. Dies, obwohl im Kreis Paderborn zahlreiche Baptisten oder Mennoniten leben.
Vor vier Jahren versandete bei der Bezirksregierung in Detmold der Vorstoß des Christlichen Schulvereins, in der Paderborner Kernstadt eine entsprechende Grundschule zu errichten. Da mit der Lutherschule bereits eine Bekenntnisschule am Ort vorhanden sei, dürfe es laut Grundgesetz und Landesverfassung eine weitere Bekenntnisschule nicht geben. Auch vom Land, das jetzt einen »Integrationsbeauftragten« losschickt, kam seinerzeit ein klares »Nein« zu einer Ausnahmegenehmigung. Ob dieses Gesetz auch für Stadtteile gilt oder eine Ansiedlung einer solchen Schule in der Nachbarkommune möglich ist, wurde offenbar nicht ernsthaft weiterverfolgt. Jetzt ist der Konflikt offen ausgebrochen.
In ganz Ostwestfalen-Lippe mit sechs Kreisen und der kreisfreien Stadt Bielefeld gibt es derzeit 17 Kinder, die auf Elternwunsch nicht in die Schule gehen, 15 kommen allein aus Paderborn. Und die völlige Verweigerung des Schulbesuchs ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Teilboykotte sind an der Tagesordnung.
Wie auch immer diese Auseinandersetzung mit den sieben Familien ausgeht, der Kreis Paderborn sollte sich um eine Ansiedlung einer entsprechenden Schule bemühen. Dies würde auch Konflikte an anderen Schulen entschärfen. Zwar hätte eine solchen Schule natürlich auch den Beigeschmack einer Abschottung, doch dies könnte man genauso geltend machen für das Gymnasium St. Michael als staatlich anerkannte Ersatzschule. Und auf diesen Gedanken käme schließlich auch niemand.
Diese christlichen Schulen erfüllen genauso den Lehrauftrag wie andere Schulen mit den entsprechenden Abschlüssen, unterliegen ebenfalls der Schulaufsicht, sind genauso an Lehrpläne gebunden - nehmen halt nur Rücksicht auf die besonderen religiösen Gefühle der Eltern. Und wenn dies auch nur bedeutet, dass Sexualaufklärung bei Jungen durch einen Lehrer und bei Mädchen durch eine Lehrerin vorgenommen wird. Geschlechtertrennung ist ebenso nichts kritikwürdiges, auch nicht, dass die Evolutionstheorie eben als Theorie dargestellt wird und die biblische Darstellung der Entstehung der Welt eben eine Glaubensüberzeugung ist und deshalb nicht einfach in der Schule in Abrede gestellt werden darf.
Die Eltern, die einfach nur Sorge haben, dass ihre Kinder zu früh und zu aggressiv mit Lerninhalten konfrontiert werden und dadurch Schaden nehmen, sind keine Fundamentalisten. Vielleicht sollte einfach mal nur in der Nachbarschaft nachgesehen werden, wie es gehen könnte.

Artikel vom 22.01.2005