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»Wissen, wohin die Stadt will«

Bürgermeister Bruno Wollbrink über seine ersten 100 Amtstage

Herford (HK). An diesem Wochenende ist er 100 Tage im Amt: Herfords Bürgermeister Bruno Wollbrink (47) zieht in einem Gespräch mit dem HERFORDER KREISBLATT eine Bilanz der ersten drei Monate seiner Amtszeit und blickt ein wenig in die Zukunft. »2005 wird das Jahr der Entscheidungen, wo diese Stadt hin will.« Mit Wollbrink sprach unser Redaktionsmitglied Gerold Brinkmann.

Wie oft hatten Sie in den ersten hundert Tagen einen 14- oder 16-Stunden-Tag?
Bruno Wollbrink: Also, die genau Zahl kann ich nicht nennen, 12 bis 14 werden es an sich täglich. Von Montag bis Freitag habe ich die 60-Stunden-Woche und dann kommen die Termine am Wochenende hinzu. Also das ist schon ein Amt, das keine normale Arbeitszeit zulässt.

Sie haben den Kontakt zu allen Institutionen, Vereinen und Verbänden gesucht. Welche Eindrücke gewannen Sie aus den ersten Gesprächen?
Bruno Wollbrink: Überwiegend positive. Es war sehr angenehm, auch wieder neue Menschen kennenzulernen. Es gab auch atmossphärisch sehr angenehme Gespräche. Ich habe das genossen, auch wenn es natürlich viele Probleme gibt, die gelöst werden müssen.

Die größte Aufmerksamkeit genießt in diesen Wochen und Monaten MARTa. Es gab Aufregungen um eine Nachinvestition von 3,8 Millionen Euro und den Controllingbericht von Peter Koch. Dazu sollte die Wibera eine Stellungnahme schreiben. Liegt die vor?
Bruno Wollbrink: Nein, die liegt noch nicht vor, aber ich hoffe, dass die in den nächsten Tagen kommt. Wir sind im Wort, der Öffentlichkeit die Ergebnisse vorzustellen. Dann muss man sehen, welche weiteren Konsequenzen sich daraus ergeben.

Das Bauvorhaben kommt gut voran?
Bruno Wollbrink: Der Zeitplan ist in Ordnung. Es gibt nicht die geringsten Anzeichen, dass der Eröffnungstermin 7. Mai in irgendeiner Weise gefährdet wäre. Das wäre auch der Super-Gau.

Für die Eröffnung will die Stadt 300 000 Euro bereit stellen. Ist das nicht eine Summe, die auf viele Bürger befremdlich wirkt?
Bruno Wollbrink: Das kann ich nachvollziehen und es werden auch keine 300 000 Euro ausgegeben. Das kann ich verbindlich sagen. Es wird höchstens ein Drittel sein. Die alte Summe bezog sich auf die Mitfinanzierung eines Stadtfestes in einem Rundum-Sorglos-Paket. Wir haben jetzt aber ganz andere Voraussetzungen, weil parallel die Jazztime läuft.

Für die von E.ON zugesagten Millionen war zuletzt die Gründung einer Stiftung im Gespräch. Nach jüngsten Meldungen soll die Politik davon wieder abgerückt sein. Die Stadt braucht das Geld für MARTa. Ist das auch ihre Auffassung?
Bruno Wollbrink: Nein. Wir haben einen Ratsbeschluss, wonach für die nächsten drei Jahre jeweils 500 000 Euro aus diesem Topf für MARTa zur Verfügung stehen. Was dann passiert, ist noch offen. Die Verwaltung liefert der Politik Entscheidungsgrundlagen, wie mit dem Geld umgegangen werden kann. Es gibt aus meiner Sicht zwei Möglichkeiten: die Stiftung oder eine jährlich neu zu treffende Entscheidung. Nach dem dritten Jahr muss die Politik dann wissen, ob sie weiter Geld für MARTa bereit stellen will.

Ein anderer kultureller Schwerpunkt ist das Stadtmuseum. Wie weit sind die Pläne gediehen?
Bruno Wollbrink: Auch darüber muss der Rat in diesem Jahr entscheiden, ob man auf ein Museum am Münster konkret zugeht, Ja oder Nein. Ich vermag im Moment nicht zu beruteilen, wie sich die derzeitigen Mehrheitsverhältnisse in dieser Frage darstellen. Die SPD hat sich dagegen positioniert, bei den Grünen vernehme ich auch erste kritische Stimmen, die man auch im Zusammenhang mit der Thematik Ernstmeier-Stiftung sehen muss. Der Verein für Herforder Geschichte muss ein klares Signal bekommen, wo es hingeht. Es gibt Entscheidungsbedarf.

In zwei Wochen soll der nächste Haushalt eingebracht werden. In den vergangenen Jahren arbeitete die Verwaltung mit einem Kassenkreditvolumen von 30 Millionen Euro. Muss man weiter mit diesem Schattenhaushalt wirtschaften?
Bruno Wollbrink: Das ist kein Schattenhaushalt. Das ist ein intelligentes Instrument, in finanziell schwieriger Zeit Lösungen zu finden. Unser oberstes Ziel ist es, einen ausgeglichen Haushalt zu präsentieren. Wir müssen die Handlungsmacht in der Stadt halten und dürfen nicht in die Haushaltssicherung gehen, wo dann andere die Entscheidungen treffen.

Es muss weiter gespart werden. Wo?
Bruno Wollbrink: Sicher muss gespart werden. Aber wir wollen auch Akzente setzen.
Gerade im investiven Bereich, wo wir erhebliche Mittel für den Offenen Ganztag zur Verfügung stellen. Wir werden aber im Verwaltungshaushalt im Rahmen der Budgetierung die eine oder andere Leistung in den Dezernaten zurückfahren.

Gespart werden muss auch beim ÖPNV. Ab 2007 muss die Stadt das Busnetz allein finanzieren. Welche Buslinien werden dann gestrichen?
Bruno Wollbrink: Da führen wir einen stetigen Dialog mit dem Anbieter. Wir müssen ein Netz vorhalten, dass dem Grundkonzept des ÖPNV Rechnung trägt. Der ist schließlich eine wichtige Säule in der Mobilität der Bürger. Gerade die älteren Bürger brauchen den Bus, ebenso die Menschen in den Außenbezirken. Man darf aber die Augen nicht vor wirtschaftlichen Notwendigkeiten verschließen. Über diesen Spagat bin ich mir im Klaren.

Der Stadtrat ist für den 7. Februar zu einer Klausurtagung eingeladen. Worüber wird gesprochen?
Bruno Wollbrink: Drei Themen: das Stadtentwicklungskonzept, die Struktur der Fachausschüsse des Rates und die Organisation der Bürgerbeteiligung. Wir wollen uns zu einer Bürgerkommune entwickeln.

Die so genannte Elefantenrunde, ein Treffen der Spitzen des Rates, wurde offenbar institutionalisiert. Das Gremium tagt alle zwei Wochen. Ist das eine Art Schatten-Stadtrat unter Ausschluss der Öffentlichkeit?
Bruno Wollbrink: Nein, das wäre ein völlig falscher Weg. Es gibt nicht Ratsmitglieder erster und zweiter Klasse. Ich möchte den Informationsfluss zwischen Verwaltung und Politik verbessern. Die Elefantenrunde wird kein festes Gremium. Vielmehr soll meine neue Büroleiterin Jutta Decarli in Zukunft die Information zu den Fraktionen leiten.

Sie wollen noch in diesem Monat die Einzelhändler besuchen. Was erhoffen sie sich von den Gesprächen?
Bruno Wollbrink: Information. Ich möchte auch mit jenen sprechen, die sich bisher öffentlich nicht geäußert haben. Ich will neue Erkenntnisse gewinnen, um die Entwicklung der Innenstadt im Positiven voranzutreiben. Es muss an einigen Stellen etwas geschehen. Das ist Chefsache. Wir müssen die Innenstadt mit mehr Leben füllen. Die Herforder müssen wieder auch sonntags gern in der City spazieren gehen wollen.

Halten Sie an dem Projekt einer Einkaufsmall fest?
Bruno Wollbrink: Ich bin ergebnisoffen. Wir haben lange genug diskutiert und sollten schnell in Handlungsprozesse übergehen. Ich halte es für relativ unrealistisch zu glauben, wir könnten innerhalb der nächsten ein, zwei Jahre eine Mall errichten. Dann stellt sich auch die Frage, ist die Mall für eine Stadt wie Herford die richtige Antwort. Auch eine Mall wird irgendwann nicht mehr das Thema sein und ist keine Generallösung.

Die Bürger haben die großen Leerstände Kaufhof und C&A im Blick. Das hat eine gewisse Symbolik.
Bruno Wollbrink: Wir arbeiten intensiv an einer Lösung. Es kann nicht sein, dass die Objekte auch in fünf Jahren noch leerstehen. Das hätte eine verheerende Wirkung. Positive Lösungen muss man aber zunächst nicht öffentlich entwickeln, um die Ergebnisse nicht zu gefährden.

Artikel vom 21.01.2005